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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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blickten klar
und heiter. Von Rhetts Gegenwart in ihrem Schlafzimmer war sie offenbar nicht
überrascht. Sie versuchte, ein mattes Lächeln auf ihren Mundwinkeln
hervorzurufen, aber es verschwand wieder, kaum daß es dort angelangt war.
    »Wir gehen
heim nach Tara«, erklärte Scarlett ihr rasch. »Die Yankees kommen. Rhett bringt
uns dorthin - anders geht es nicht, Melly.«
    Melanie
versuchte ein wenig mit dem Kopf zu nicken und wies mit einer Handbewegung auf
das Kind. Scarlett nahm das Kleine empor und wickelte es hastig in ein dickes
Handtuch. Rhett trat ans Bett.
    »Ich will
versuchen, Ihnen nicht weh zu tun«, sagte er leise und schlug das Laken um sie.
»Können Sie mir die Arme um den Hals legen?« Melanie machte eine Anstrengung,
aber matt sanken ihr die Arme zurück. Er beugte sich nieder, schob ihr den
einen Arm unter die Schulter und den anderen unter die Knie und hob sie sanft
empor. Sie gab keinen Laut von sich, aber Scarlett sah, wie sie sich auf die
Lippen biß und noch blasser wurde als zuvor. Scarlett hielt die Lampe in die
Höhe, um Rhett zu leuchten, als Melanie mit einer schwachen Bewegung zur Wand
wies. »Bitte«, flüsterte sie und versuchte, auf etwas zu zeigen. »Charles.«
    Rhett
schaute sie mitleidig an, als hielte er diese Worte für eine Fieberphantasie,
aber Scarlett verstand sie und ärgerte sich. Sie wußte, daß Melanie nach dem
Bilde von Charles verlangte, welches unter seinem Degen und seiner Pistole an
der Wand hing.
    »Bitte«,
flüsterte Melanie noch einmal, »auch den Degen.«
    »Ach ja,
gut«, sagte Scarlett, und als sie Rhett behutsam die Treppe hinuntergeleuchtet
hatte, kam sie zurück und nahm Degen und Pistolengurt von der Wand. Es war
nicht leicht, die beiden Gegenstände mit dem Kind und der Lampe zusammen
hinunterzutragen. Das sah Melanie ähnlich, sich keine Sorge darüber zu machen,
daß sie kaum dem Tode entgangen war und die Yankees auf den Fersen hatte,
sondern sich um Charles' Andenken zu kümmern. Als sie das Bild von der Wand
nahm, zog Charles' Gesicht ihre Blicke auf sich. Seine großen braunen Augen
schauten in die ihren, und einen Augenblick blieb sie stehen und betrachtete
nachdenklich das Bild. Dieser Mann war ihr Gatte gewesen, hatte ein paar Nächte
bei ihr gelegen und ihr ein Kind mit so sanften, braunen Augen wie seine eigenen
geschenkt - und sie konnte sich seiner kaum entsinnen. Das Kind in ihrem Arm
bewegte die kleinen Fäuste und plärrte leise. Sie schaute zu ihm hernieder. Zum
erstenmal ging ihr auf, daß es Ashleys Kind war, und plötzlich sehnte sie sich
mit der ganzen Kraft, die ihr noch verblieben war, danach, es möge ihr Kind
sein, ihres und Ashleys.
    Prissy kam
die Treppe heraufgestürzt, und Scarlett übergab ihr das Kind. Rasch liefen sie
beide hinunter. Die Lampe warf unbestimmte Schatten an die Wand. In der Halle
sah Scarlett einen Hut, setzte ihn hastig auf und knüpfte die Bänder unter dem
Kinn zu. Es war Melanies schwarzer Trauerhut, und er paßte Scarlett nicht, aber
sie konnte sich nicht darauf besinnen, wo sie ihren eigenen gelassen hatte. Sie
ging mit der Lampe in der Hand aus dem Hause die Stufen hinab und sah Melanie
schon der Länge nach hinten im Wagen liegen und neben ihr Wade und das in ein
Handtuch eingewickelte kleine Kind. Prissy stieg hinauf und nahm es auf den
Arm.
    Es war ein
ganz kleiner Leiterwagen mit sehr niedrigen Seitenbrettem. Die Räder waren
schief nach innen geneigt, als wollten sie bei der ersten Umdrehung
auseinanderbrechen. Scarlett warf einen Blick auf das Pferd und verzagte. Es
war ein kleines, ausgemergeltes Tier und ließ den Kopf müde fast bis zwischen
die Vorderbeine hängen. Sein Rücken war voller Wunden und Druckstellen vom
Geschirr, und es schnaufte wie es kein gesundes Pferd tut.
    »Es ist
nicht viel dran, was?« grinste Rhett. »Es sieht aus, als sollte es in den
Sielen sterben, aber etwas Besseres war nicht aufzutreiben. Eines Tages erzähle
ich Ihnen mit gebührender Ausschmückung, wie und wo ich es gestohlen habe und
wie ich ums Haar dabei erschossen worden wäre. Nur meine Ergebenheit für Sie
konnte mich an diesem Punkte meines Lebenslaufes zum Pferdedieb machen - um
eine so elende Kreatur zu stehlen. Darf ich Ihnen hineinhelfen?«
    Er nahm
ihr die Lampe ab und stellte sie auf die Erde. Der Vordersitz war nur ein
schmales Holzbrett, das quer über den Wagen gelegt war. Rhett nahm Scarlett in
den Arm und setzte sie darauf. »Wunderbar, ein Mann zu sein und so stark wie
Rhett«, dachte

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