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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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und wir wollen
später fragen, wer es war. Aber um Himmels willen schießen Sie in der Aufregung
nicht den Klepper nieder.«
    »Ich ...
ich habe eine Pistole«, flüsterte sie und faßte die Waffe fester, die auf ihrem
Schoß lag, obwohl sie felsenfest davon überzeugt war, daß sie niemals, und wenn
der leibhaftige Tod selber vor ihr stünde, den Mut aufbringen würde, den Hahn
abzudrücken.
    »Woher
haben Sie die Waffe?«
    »Es
ist Charles' Pistole.«
    »Charles?«
    »Ja,
meines Mannes Pistole.«
    »Hast du
denn wirklich jemals einen Mann gehabt, Geliebte?« flüsterte er und lachte
leise.
    »Woher
sollte ich denn sonst meinen Jungen haben?« fuhr sie wütend empor.
    »Oh, da
gibt es noch andere Wege als die Ehe.«
    »Schweigen
Sie still und fahren Sie weiter!«
    Aber
plötzlich zog er dicht vor der Mariettastraße im Schatten eines Speichers, den
die Flammen noch nicht ergriffen hatten, die Zügel an.
    »Weiter,
weiter!« Sie hatte nichts anderes mehr im Kopf.
    »Soldaten«,
sagte er.
    Der Trupp
kam in müdem Marschtritt zwischen den brennenden Häusern die Mariettastraße
herunter, mit gesenkten Köpfen, die Gewehre kreuz und quer über den Schultern,
zu erschöpft, um der Balken zu achten, die rechts und links herunterkrachten,
zu müde, um den alles umwogenden Rauch zu spüren, der die Menschen zu ersticken
drohte. Alle waren gleichermaßen zerlumpt, und zwischen den Offizieren und den
Mannschaften gab es keine unterscheidenden Abzeichen mehr, höchstens hier und
da einen zerfetzten Hutrand, der noch an der Seite hochgeklappt und mit der
umkränzten Initiale »C. S. A.« befestigt war. Viele gingen barfuß, hier und da
steckte ein Arm oder ein Kopf in einem schmutzigen Verband. Ohne nach rechts
oder nach links zu schauen, zogen sie stumm wie Gespenster vorüber, und nur der
Klang der Schritte bezeugte, daß es Menschen waren.
    »Sieh sie
dir genau an«, tönte Rhetts spöttische Stimme, »damit du deinen Enkeln erzählen
kannst, daß du die Nachhut unserer großen, ruhmreichen Sache auf dem Rückzug
gesehen hast.«
    Plötzlich
haßte sie ihn mit einer Gewalt, die in diesem Augenblick selbst ihre Furcht
überwältigte, so daß diese ihr kleinlich und geringfügig vorkam. Sie wußte,
ihre Sicherheit und die der andern hinter ihr im Wagen hing einzig und allein
von diesem Manne ab, den sie haßte, weil er jene zerlumpten Kolonnen
verspottete, und sie dachte an den toten Charles, an Ashley, der wohl auch
nicht mehr lebte, an all die frohen, tapferen jungen Männer, die nun in den
flachen Gräbern ruhten, und vergaß, daß auch sie selber all diese Kämpfer
einmal für Narren erklärt hatte. Sie konnte kein Wort hervorbringen, aber Haß
und Abscheu sprühten aus ihren wilden grünen Augen.
    Als die
letzten Soldaten vorüberzogen, kam in der hintersten Reihe eine schmächtige
Gestalt, die den Gewehrkolben am Boden schleifen ließ, ins Schwanken, blieb
stehen und starrte den andern nach. Das verschmutzte Gesicht dieses Knaben war
vor Überanstrengung so stumpf, daß er wie ein Schlafwandler aussah. Er war
nicht größer als Scarlett, sein Gewehr war fast so lang wie er selber. In
seinem völlig verrußten Gesicht wuchs noch kein Bart. »Höchstens sechzehn«,
ging es Scarlett durch den Sinn. »Wohl einer aus der Landwehr, oder von der
Schule entlaufen.«
    Während
sie noch dorthin schaute, sank der Knabe langsam in die Knie und fiel in den
Staub. Wortlos traten zwei der Kameraden aus der letzten Reihe heraus und kamen
zu ihm zurück. Der eine, ein großer hagerer Mann mit einem schwarzen Bart, der
ihm bis auf den Gürtel hing, übergab dem andern schweigend sein eigenes Gewehr
und das des Jungen. Dann bückte er sich und hob so behende wie ein Akrobat den
Jungen mit einem einzigen Ruck auf die Schulter. Langsam zog er so der sich
entfernenden Kolonne nach. Sein Rücken beugte sich unter der Last. In all
seiner Schwäche schrie der Junge wutentbrannt auf wie ein Kind, das von einem
Großen geneckt wird: »Laß mich runter, verflucht, laß mich runter, ich kann
allein gehen!«
    Der
Bärtige erwiderte nichts, sondern stapfte stumm und unverdrossen weiter und
verschwand hinter einer Biegung der Straße.
    Rhett saß
still, die Zügel locker in der Hand, und blickte ihnen mit einem sonderbar
verbissenen Ausdruck in seinen gebräunten Zügen nach. Da krachten ein paar
Balken ganz in ihrer Nähe herunter, und Scarlett sah eine feine rote Flamme das
Dach des Speichers hinaufzüngeln, in dessen Schatten sie Schutz gesucht

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