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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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und schallend auf, daß die Echos aus den dunklen Wäldern ihm
antworteten.
    »>Dich,
Liebste, könnt' ich nicht lieben so heiß, lieb' ich nicht heißer die Ehre
noch!< Ein passendes Wort, nicht wahr? Passender als alles andere, was ich
mir im Augenblick selber ausdenken könnte. Denn ich liebe dich, Scarlett, trotz
allem, was ich vorigen Monat abends vor der Haustür zu dir gesagt habe.«
    Sein
gedehnter Tonfall klang voller Zärtlichkeit. Seine starken, warmen Hände
strichen ihre nackten Arme hinauf. »Ich liebe dich, Scarlett, weil wir einander
so ähnlich sind - beide Abtrünnige, Geliebte. Beide selbstsüchtige Schurken.
Uns beiden macht es nichts aus, wenn die ganze Welt in Stücke geht, solange wir
es nur sicher und behaglich haben.«
    Seine
Stimme tönte noch weiter durch die Dunkelheit. Sie hörte auch Worte, aber ihren
Sinn verstand sie nicht. Müde versuchte sie, die harte Wahrheit in sich
aufzunehmen, daß er sie hier im Angesicht der Yankees allein ließ. Ihr Verstand
wiederholte immerfort: »Er läßt mich allein.« Ihr Gefühl regte sich nicht.
    Da legte
er ihr die Arme um die Hüfte und Schultern, und sie spürte die festen Muskeln
seiner Schenkel an ihrem Körper. Die Knöpfe seines Anzuges drückten sich gegen
ihre Brust. Verwirrend und erschreckend strömte es über sie hin, eine warme
Flut, die Zeit und Ort und Umgebung und alles andere aus ihrem Hirn fortspülte.
Sie fühlte sich so schlaff wie eine Stoffpuppe. Schwach und hilflos, aber
lebenswarm hing sie in seinen Armen, und es tat so gut, sich von ihm stützen zu
lassen.
    »Denkst du
immer noch nicht anders über alles, was ich dir vor einem Monat sagte? Können
selbst Gefahr und Tod deine Meinung nicht ändern? Sei eine Patriotin, Scarlett!
Bedenke, daß du einen Soldaten mit einer schönen Erinnerung in den Tod ziehen
lassen kannst.«
    Nun küßte
er sie, und sein Bart berührte ihren Mund, küßte sie mit bedächtigen, heißen
Lippen, die sich Zeit ließen, als läge die ganze Nacht vor ihnen. So hatte
Charles sie nie geküßt. Nie war ihr unter den Küssen der Tarletons und Calverts
so heiß und kalt und schwindlig geworden. Er bog sie zurück, seine Lippen
wanderten ihr über die Kehle abwärts bis dort, wo die Kamee ihr Kleid
zusammenhielt.
    »Süße«,
flüsterte er, »Süße.«
    Undeutlich
sah sie den Wagen im Dunkeln stehen und hörte Wades hohe, klägliche Stimme.
»Mutter! Wade bange!«
    In ihrer
verworrenen, verzweifelten Aufregung kehrte ihr plötzlich die kalte
Überlegenheit zurück. Ihr wurde wieder bewußt, was sie für einen Augenblick
vergessen hatte: daß sie sich fürchtete und auf ihn angewiesen war, und nun
ließ er sie im Stich, ließ sie im Stich, der verdammte Schurke. Hier stand er
und hatte obendrein noch die Unverschämtheit, sie mitten auf der Straße mit
gemeinen Anträgen zu beleidigen. Wut und Haß durchströmten sie und steiften ihr
das Rückgrat. Mit einem Ruck riß sie sich aus seinen Armen los.
    »Oh! Sie
Flegel«, schrie sie ihn an, und dabei suchte sie mit wilder Verzweiflung nach
noch schlimmeren Schimpfworten, die sie ihm an den Kopf werfen konnte, nach
Bezeichnungen, die Gerald für Mr. Lincoln, die Maclntoshs und für störrische Maultiere
gehabt hatte - aber keines von ihnen fiel ihr ein. »Sie verkommenes, feiges,
niedriges, ekelhaftes Subjekt!«, und weil ihr nichts weiter einfiel, das
vernichtend genug klang, hob sie den Arm und schlug ihn mit aller Kraft, die
ihr geblieben war, auf den Mund. Er trat einen Schritt zurück und hielt sich
die Hand ans Gesicht.
    »Oh«,
sagte er leise, und einen Augenblick standen die beiden einander in der
Dunkelheit schweigend gegenüber. Scarlett hörte ihn schwer atmen, sie selber
rang nach Luft, als wäre sie zu schnell gelaufen.
    »Die Leute
hatten recht! Alle hatten sie recht! Sie sind kein Gentleman!«
    »Geliebtes
Kind«, sagte er, »wie zeitgemäß!« Sie spürte, wie er lachte, und das brachte
sie vollends zur Raserei.
    »Gehen
Sie, machen Sie, daß Sie weiterkommen, schnell! Ich will Sie nie wiedersehen.
Ich hoffe, eine Kanonenkugel trifft Sie mitten ins Herz und zerschmettert Sie
zu Millionen Fetzen.«
    »Spare dir
den Rest. Ich weiß schon, was du sagen willst. Wenn ich tot auf dem Altar des
Vaterlandes liege, meldet sich vielleicht dein Gewissen.«
    Lachend
wandte er sich um und ging zum Wagen zurück. Sie sah ihn dastehen und hörte,
wie er mit ganz anderer Stimme, höflich und ehrerbietig wie immer, wenn er mit
Melanie sprach, sie anrief: »Mrs.

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