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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Wilkes?«
    Prissys
verängstigte Stimme antwortete aus dem Wagen: »O Gott, Kapitän Butler! Miß
Wilkes sein schon ganze Zeit ohnmächtig.«
    »Doch
nicht tot? Atmet sie?«
    »Sicher,
Master, sie atmet.«
    »Dann ist
es so am besten für sie. Wenn sie bei Bewußtsein geblieben wäre, weiß ich nicht,
ob sie dies alles überlebt hätte. Daß du mir gut für sie sorgst, Prissy! Hier
ist ein Geldschein für dich, gib dir Mühe, dich nicht noch dümmer anzustellen,
als du schon bist.«
    »Jawohl,
Master. Dank auch, Master.«
    »Lebe
wohl, Scarlett!«
    Sie wußte,
daß er ihr dies zugerufen hatte, aber sie erwiderte nichts.
    Der Haß
verschlug ihr die Worte. Seine Füße knirschten über den Kies der Straße. Einen
Augenblick tauchten seine breiten Schultern im Dunkel auf, dann war er
verschwunden. Eine Weile hörte sie noch seine Schritte, dann verklangen sie.
Langsam kehrte sie mit wankenden Knien zum Wagen zurück.
    Warum war
er fortgegangen, in die Finsternis hinein, in den Krieg, in eine verlorene
Sache, in eine toll gewordene Welt? Warum war Rhett gegangen, der die Frauen und
den Schnaps liebte, gutes Essen und weiche Betten, Vergnügen, Behagen und die
Reize der Sinne, der den Süden haßte und die Narren verhöhnte, die für ihn
kämpften? Nun hatte er mit seinen Lackstiefeln jenen harten Weg beschritten, wo
Hunger und Durst ihn unermüdlich begleiten, wo Wunden, Erschöpfung und Herzweh
wie winselnde Wölfe ihn umkreisen würden. Am Ende des Weges wartete der Tod. Er
hätte nicht zu gehen brauchen. Gesichert, reich und ohne Sorgen stand er im
Leben. Aber er war gegangen und hatte sie in der Nacht allein gelassen, einer
Nacht, die so schwarz war, als wären einem die Augen erblindet, und zwischen
ihr und der Heimat standen die Yankees.
    Nun fielen
ihr all die Schimpfnamen ein, die sie ihm hatte an den Kopf werfen wollen, aber
nun war es zu spät. Sie lehnte den Kopf an den gesenkten Hals des Pferdes und
weinte.
     
    24
     
    Die helle
Morgensonne schien durch die Bäume herab und weckte Scarlett aus dem Schlummer.
Sie fuhr aus der steifen, verkrampften Stellung empor, in der sie eingeschlafen
war, und konnte sich eine Weile nicht darauf besinnen, wo sie sich eigentlich
befand. Die Sonne blendete sie, die harten Wagenbretter, auf denen sie lag,
taten ihrem Rücken weh, und eine schwere Last lag ihr quer über den Beinen. Sie
versuchte sich aufzusetzen und gewahrte Wades Kopf, der schlafend auf ihren
Knien lag. Melanies bloße Füße lagen dicht neben ihrem Gesicht, Prissy schlief
unter dem Sitz, zusammengerollt wie eine schwarze Katze, und das Neugeborene
lag eingezwängt zwischen ihr und Wade.
    Dann fiel
ihr alles wieder ein. Mit einem Ruck kam sie hoch und blickte hastig um sich.
Gott sei Dank, es waren keine Yankees in Sicht! Ihr Versteck war während der
Nacht nicht entdeckt worden. Jetzt kam ihr alles Geschehene wieder zum
Bewußtsein. Die unheimliche Fahrt, nachdem Rhetts Schritte verklungen waren,
die endlose Nacht, die dunkle Straße, auf der es über Stock und Stein ging, die
tiefen Rinnen zu beiden Seiten, in die der Wagen hineinrutschte, die schier
übermenschliche Kraft der Angst, mit der Prissy und sie die Räder wieder
herausgezerrt hatten. Schaudernd erinnerte sie sich, wie oft sie das
bockbeinige Pferd in Äcker und Felder getrieben hatte, sobald sie Soldaten
kommen hörte und nicht wußte, ob es Freunde oder Feinde waren. Ihre Angst, daß
ein Husten, ein Niesen oder Wades ewiger Schluckauf sie den marschierenden
Truppen verrieten.
    Auch die
dunkle Straße, wo Menschen still wie Geister vorübergezogen und nur ihr
gedämpfter Schritt im weichen Staub, das leise Klappen der Zügel und das
Quietschen straffgezogenen Leders zu hören war! Und der fürchterliche
Augenblick, da das elende Pferd nicht weiter wollte und Reiterei und leichtes
Geschütz im Dunkeln gerade dort vorüberrumpelte, wo sie saßen und den Atem
anhielten - so nahe, daß sie sie fast mit der ausgestreckten Hand hätte
berühren können und daß sie den Dunst der Menschenleiber roch.
    Als sie
schließlich Rough and Ready erreichten, glommen dort noch ein paar Lagerfeuer:
es waren die letzten von Lees Nachhut, die auf den Befehl warteten zurückzugehen.
Sie war eine Meile weit im Bogen über einen Sturzacker gefahren, bis sie die
Feuer hinter sich hatte. Dann hatte sie im Dunkeln den Weg verloren und
geschluchzt, als sie den kleinen Feldweg nicht finden konnte, der ihr doch so
gut bekannt war. Als sie ihn dann endlich hatte, sank das

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