Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
Vom Netzwerk:
durch
Rough and Ready nach Jonesboro führen?«
    »Ja,
freilich!«
    Scarlett
fiel ein Stein vom Herzen. »Wenn wir nur bis in die Nähe von Rough and Ready
gelangen, weiß ich einen Pfad, der von der Hauptstraße abzweigt und sich
meilenweit durch die Gegend zieht. Pa und ich sind ihn oft geritten. Ganz dicht
bei MacIntoshs kommt man heraus, und dann ist es nur noch eine Meile bis Tara.«
    »Gut.
Vielleicht kommen Sie auch unbehelligt durch Rough and Ready. General Lee stand
heute nachmittag dort, um den Rückzug zu decken. Vielleicht sind die Yankees
noch nicht da, und wenn Lees Leute Ihnen nicht das Pferd wegnehmen, kommen Sie
durch.«
    »Ich komme
durch ... ich?«
    »Jawohl,
Sie.« Es klang scharf.
    »Aber
Rhett ... kommen Sie denn nicht mit?«
    »Nein, ich
verlasse Sie hier.«
    Verzweifelt
schaute sie sich um nach dem fahlen Brandhimmel hinter ihnen, nach den dunklen
Bäumen, die sie zu beiden Seiten wie eine Gefängnismauer einschlossen, nach den
verängstigten Gestalten hinten im Wagen und schließlich nach ihm. Hatte sie den
Verstand verloren? Hatte sie ihn falsch verstanden?
    Er
grinste. Im Dämmerlicht konnte sie gerade noch seine weißen Zähne erkennen. In
seinen Augen lag der alte Spott.
    »Uns
verlassen? Ja, wohin wollen Sie denn?«
    »Mein
liebes Kind, ich gehe zur Armee.«
    Sie
seufzte erleichtert und gleichzeitig verärgert auf. Warum mußte er gerade jetzt
noch Spaße treiben! Rhett zur Armee, nach allem, was er von den Narren gesagt
hatte, die sich durch Trommelwirbel und Phrasen verleiten ließen, ihr Leben
aufs Spiel zu setzen, von den Dummköpfen, die ihr Blut vergossen, damit die
Klugen Geld machen konnten!
    »Ach, mir
eine solchen Schrecken einzujagen! Ich könnte Sie erwürgen. Lassen Sie uns
weiterfahren.«
    »Kind, ich
mache keinen Spaß. Ich bin erstaunt, Scarlett, daß du meinen hochherzigen
Entschluß so aufnimmst. Wo ist dein Patriotismus geblieben, deine Liebe zu unserer
heiligen Sache? Jetzt hast du die Gelegenheit, mir zu sagen: >Kehre heim mit
reinem Schild oder auf dem Schild!< - Aber mach rasch ... auch ich habe noch
eine schwungvolle Rede zu halten, ehe ich in den Kampf ziehe.«
    Sein
schleppender Tonfall höhnte ihr ins Ohr. Er spottete über sie, und er spottete
über sich selbst. Was redete er da? Von Patriotismus, reinem Schild und
schwungvoller Rede? Er konnte sie doch nicht einfach hier auf der dunklen
Straße mit einer vielleicht sterbenden Frau, einem neugeborenen Kind und einem
dummen Negermädel sitzenlassen, von Schlachtfeldern, Yankees, Feuersbrünsten
und Gott weiß was allem umgeben? Sie packte seinen Arm und fühlte Tränen der
Angst auf ihre Hand niederströmen. Er führte diese Hand an die Lippen und küßte
sie leichthin.
    »Also
selbstsüchtig bis zum letzten Atemzug? Nur daran denken, wie Ihre kostbare
Person in Sicherheit zu bringen ist, und nicht an die tapferen Konföderierten?
Stellen Sie sich doch nur vor, wie mein Erscheinen in zwölfter Stunde den
Truppen Mut machen muß.« Etwas Boshaftes, aber zugleich Zärtliches klang in
seiner Stimme.
    »Ach,
Rhett«, jammerte sie, »wie können Sie mir das antun? Warum verlassen Sie mich?«
    »Warum?«
lachte er hochfahrend. »Vielleicht wegen der Sentimentalität, die uns
Südstaatlern nun einmal im Blut liegt. Vielleicht ... vielleicht, weil ich mich
schäme; wer weiß?«
    »Schämen?
Sie sollten sich zu Tode schämen, uns hier allein und hilflos auf der Straße
sitzenzulassen.«
    »Liebe
Scarlett, Sie sind nicht hilflos. Ein so selbstsüchtiges und entschlossenes
Geschöpf wie Sie ist niemals hilflos. Gott stehe den armen Yankees bei, wenn
sie Sie erwischen.«
    Auf einmal
stieg er vom Wagen herab, und während sie ihm noch halbbetäubt zusah und nicht
wußte, was sie davon denken sollte, kam er um den Wagen herum an ihre Seite.
»Aussteigen!« befahl er. Sie starrte ihn nur an. Fest griff er nach ihr, hob
sie mit einem Schwung aus dem Wagen, stellte sie neben sich auf die Füße und
zog sie dann mehrere Schritte mit sich fort. Staub und Kies drangen ihr in die
Schuhe und taten ihr weh. Die heiße, schweigende Finsternis umhüllte sie wie im
Traum.
    »Keineswegs
verlange ich, daß Sie mich verstehen oder mir vergeben. An beidem liegt mir gar
nichts. Ich verstehe mich selbst nicht und verzeihe mir dies nie. Immer noch
ist der Don Quichotte in mir nicht tot. Unser schöner Süden braucht jeden Mann.
Hat nicht der tapfere Gouverneur Brown es gesagt? Einerlei, ich ziehe in den
Krieg!«
    Plötzlich
lachte er so frei

Weitere Kostenlose Bücher