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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Gewimmer, und Gerald schien sich
mühsam aufzuraffen.
    »Das ist
Melanie und ihr Kleines«, flüsterte Scarlett. »Sie ist sehr krank ... ich habe
sie mitgebracht.«
    Gerald
ließ die Hand von ihrem Arm sinken und gab sich einen Ruck. Während er langsam
zum Wagen schritt, hatte er eine gespenstische Ähnlichkeit mit dem früheren
Gutsherrn von Tara, der seine Gäste willkommen hieß.
    »Kusine
Melanie. «
    Melanies
Stimme kam undeutlich zurück.
    »Kusine
Melanie, hier bist du nun zu Hause. Twelve Oaks ist abgebrannt. Du wirst bei
uns bleiben.«
    Der
Gedanke an Melanies qualvollen Zustand, der nun schon so lange dauerte, trieb
Scarlett endlich zum Handeln. Nun war wieder Gegenwart um sie her, die
gebieterische Forderung, Melanie und das Kind ins Bett zu bringen und ihr die
kleinen Dienste zu leisten, die man für sie leisten konnte. »Sie muß
hineingetragen werden, gehen kann sie nicht.«
    Tritte
erklangen, eine dunkle Gestalt tauchte aus der schwarzen Höhle der Haustür auf.
Pork kam die Stufen herunter. Scarlett griff ihn beim Arm. Pork, ein Stück von Tara,
vertraut wie seine Mauern und Wege! Sie fühlte heiße Tränen über ihren Händen,
als Pork sie ungeschickt streichelte und rief: »Freu' mich aber, daß Sie wieder
da sind, Miß! Freu' mich so sehr ...«
    Prissy
brach in Tränen und in unzusammenhängendes Gestammel aus: »Poke! Poke!« Den
kleinen Wade machte die Weichherzigkeit der Großen von neuem lebendig, und er
begann zu schnüffeln: »Wade durstig!«
    Nun nahm
Scarlett alles in die Hand.
    »Melly ist
im Wagen und ihr Kleines auch. Pork, du mußt sie ganz behutsam in das
Gastzimmer hinauftragen. Prissy, bring das Kleine und Wade hinein und gib Wade
zu trinken. Ist Mammy da, Pork? Sie soll herauskommen.«
    Pork stand
ganz im Banne ihrer gebieterischen Stimme, trat an den Wagen und machte sich
darin zu schaffen. Melanie stöhnte auf, als er sie von dem Federbett, auf dem
sie so viele Stunden gelegen hatte, hochhob und herabzerrte. Dann lag sie in
seinen kräftigen Armen und ließ den Kopf wie ein Kind an seine Schulter sinken.
Prissy, mit dem Baby auf dem Arm und dem kleinen Jungen an der Hand, folgte ihm
die Stufen hinauf und verschwand im Dunkel der Halle.
    Scarletts
blutige Finger griffen erregt nach der Hand des Vaters. »Pa, sind sie wieder
gesund?«
    »Den
Mädchen geht es besser ... «
    Dann war
Schweigen, und in diesem Schweigen gewann ein Gedanke, zu ungeheuerlich für
Worte, Gestalt. Sie konnte und konnte ihn nicht über die Lippen bringen. Sie
würgte und schluckte, es war, als sei ihr der ausgetrocknete Hals plötzlich
zugeschnürt. War dies die Erklärung für das furchtbare Rätsel von Taras
Schweigen? Wie eine Antwort auf ihre stumme Frage begann Gerald zu sprechen.
    »Deine
Mutter ...«, sagte er und schwieg wieder.
    »Mutter?«
    »Deine
Mutter ist gestern gestorben.«
     
    Scarlett
hatte ihren Vater fest untergefaßt und tastete sich durch die große dunkle
Halle, die ihr auch in der Finsternis vertraut war wie ihr eigenes Gemüt. Sie
umschritt die hochbeinigen Stühle, die Gewehrständer, die alte Anrichte mit
ihren hervorstehenden Klauenfüßen und fühlte sich unwiderstehlich in das
winzige Schreibzimmer am hinteren Ende gezogen, wo Ellen immer saß und in ihren
Büchern rechnete. Wenn sie dort erst eintrat, würde Mutter wie immer an ihrem
Schreibtisch sitzen, die Feder hinlegen, aufblicken und ihrer Tochter mit leise
duftendem, raschelndem Reifrock entgegenkommen. Ellen konnte nicht tot sein,
auch wenn Pa es sagte und immer wieder sagte, gleich einem Papagei, der nur
einen einzigen Satz sagen konnte: »Gestern ist sie gestorben, gestern ist sie
gestorben, gestern ist sie gestorben ... «
    Seltsam,
daß sie jetzt außer der furchtbaren Erschöpfung, die ihre Glieder wie mit
Eisenketten gefesselt hielt, und außer dem Hunger, der ihre Knie erzittern
ließ, nichts weiter empfand. An Mutter wollte sie später denken. Jetzt mußte
sie dies von sich wegschieben, sonst würde sie stumpfsinnig wie Gerald
dahinstolpern oder eintönig wie Wade vor sich hin schluchzen müssen.
    Pork kam
die breiten dunklen Stufen auf sie zugeschritten und schien sich an Scarlett
drängen zu wollen wie ein frierendes Tier ans Feuer.
    »Licht!«
sagte sie, »warum ist das Haus so dunkel, Pork? Bring die Kerzen.«
    »Die
Kerzen haben sie alle weggenommen, alle, außer einer. Die eine gebrauchen wir
nur, wenn wir im Dunkeln was suchen müssen, sie ist schon fast ausgebrannt. Als
Licht für das Krankenzimmer von

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