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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Miß Carreen und Miß Suellen hat Mammy eine
Schüssel mit Schweinefett genommen, in die sie einen aufgedrehten Stofflappen
gesteckt hat.«
    »Bring den
Rest der Kerze«, befahl Scarlett. »Stell ihn in Mutters ... in das Schreibzimmer.«
    Pork
schlurfte klappernd ins Eßzimmer. Scarlett tastete sich durch die schwarze
Finsternis bis zum kleinen Zimmer und sank auf das Sofa nieder. Der Arm des
Vaters war immer noch hilflos vertrauend und gleichsam flehend in den ihren
gelegt, wie es nur die Hände der ganz Jungen oder der ganz Alten können.
    »Er ist
ein alter Mann, ein alter, müder Mann«, dachte sie wieder und begriff nicht,
warum sie das nicht tiefer berührte.
    Ein
Lichtschein flackerte ins Zimmer. Pork kam mit einer halb abgebrannten Kerze auf
einer Untertasse herein, die er zum Leuchten emporhielt. In die dunkle Höhle
kam ein wenig Leben. Das eingesessene alte Sofa, der hohe Sekretär mit Mutters
zierlich geschnitztem Stuhl davor, die Fächer, die noch voll von Papier staken,
von Ellens feiner Handschrift beschrieben, der abgenutzte Teppich - alles war
da, nur Ellen nicht mit ihrem feinen Duft von Zitrone und Verbene und dem
sanften Blick in den schrägen Augen. Scarlett fühlte in ihrem Herzen einen
leisen Schmerz, wie von Nerven, die, nach einer schweren Verwundung fühllos
geworden, auf einmal die Empfindung langsam wieder erlangen. Jetzt durften sie
aber noch nicht wieder lebendig werden. Sie hatte ihr ganzes Leben vor sich, da
konnten sie schmerzen, aber nicht jetzt! Lieber Gott, nur nicht jetzt!
    Sie sah in
Geralds aschgraues Gesicht. Zum erstenmal in ihrem Leben erblickte sie ihn
unrasiert. Die sonst so wohlgepflegten, blühenden Wangen standen voll
silberweißer Stoppeln. Pork setzte die Kerze auf den Halter und trat zu ihr.
Wäre er ein Hund gewesen, er hätte wohl die Schnauze in ihren Schoß gelegt und
um eine Hand gebettelt, die ihm über den Kopf strich.
    »Pork,
wieviel Schwarze sind hier?«
    »Miß
Scarlett, das Niggerpack ist weggelaufen. Einige sind mit den Yankees auf und
davon ...«
    »Wieviele
sind noch da?«
    »Ich und
Mammy. Sie hat die jungen Misses den ganzen Tag gepflegt. Und Dilcey. Sie sitzt
jetzt bei jungen Misses. Wir drei, Miß Scarlett.«
    »Wir
drei!« Und es waren hundert gewesen. Mühsam hob Scarlett den Kopf auf dem
schmerzenden Nacken empor.
    Sie durfte
ihrer Stimme nichts anmerken lassen.
    Zu ihrer
eigenen Überraschung kamen ihre Worte so kühl und gelassen heraus, als habe es
nie einen Krieg gegeben und als könne sie wie immer mit einem Blick zehn
Dienstboten um sich versammeln. »Pork, ich habe Hunger. Gibt es nichts zu
essen?«
    »Nein,
Missis, sie haben alles weggenommen.«
    »Aber der
Garten?«
    »Darin haben sie ihre Pferde sich
tummeln lassen.«
    »Und die Hügel mit den Bataten?«
    Auf seinen
dicken Lippen erglänzte es wie ein freudiges Lächeln: »Miß Scarlett, die
Bataten hab' ich ganz vergessen. Die müssen noch dasein. Die Yankees haben nie
keine mit Augen gesehen und meinen, das wären bloß Wurzeln.«
    »Wenn der
Mond aufgeht, lauf hinüber, grab welche aus und röste sie. Maismehl ist nicht
da? Keine getrockneten Erbsen? Keine Hühner?«
    »Nein,
Miß, nein, nein, Miß. Die Hühner, die sie nicht gleich gegessen haben, sie
haben auf Sattel mitgenommen.«
    >Sie<
und immer >sie<. Fand es denn kein Ende, was >sie< alles getan
hatten?
    »Miß
Scarlett, ich habe ein paar Äpfel, die Mammy unter dem Hause vergraben hat. Wir
haben heute davon gegessen.«
    »Bring sie
her, ehe du die Bataten ausgräbst. Ach, Pork, mir ist gar nicht wohl. Ist da
nicht noch Wein im Keller, und wenn es nur Brombeerwein ist?«
    »Ach, Miß Scarlett, in den Keller
sind sie zuerst gegangen.«
    Vor
Übermüdung und Betäubung nach dem schweren Schicksalsschlag schwanden ihr jetzt
wirklich die Sinne. Sie umklammerte die geschnitzten Rosen unter ihrer Hand auf
der Stuhllehne.
    »Kein
Wein«, lallte sie und entsann sich der zahllosen Flaschen im Keller. Da kam ihr
ein Gedanke. »Pork, was ist aus dem Kornbranntwein geworden, den Pa im eichenen
Fasse unter der Laube vergraben hatte?«
    Wieder
erhellte etwas wie ein Lächeln das schwarze Gesicht, ein Lächeln der Freude und
Hochachtung.
    »Oh, Miß
Scarlett, das Faß hab' ich reinweg vergessen. Aber, Miß Scarlett, der Whisky
ist noch nicht gut. Er liegt erst seit einem Jahr, und Whisky ist überhaupt
nicht gut für Damen.«
    Wie dumm
die Neger waren! Nie dachten sie an etwas, bevor man es ihnen ausdrücklich
sagte. Eine solche

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