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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Straße,
auf der die Armee entlanggezogen war. Auch Tara war dem Erdboden gleich! Sicher
fand sie nur noch geschwärzte Backsteine, und die Sterne schienen auf die
Trümmer herab. Ellen und Gerald waren fort, die Mädchen fort, Mammy fort, die
Neger fort und Gott weiß wo, und über allem die schauerliche Stille.
    Warum war
sie gegen jeden gesunden Menschenverstand diesen sinnlosen Weg gegangen! Warum
hatte sie Melanie und das Kind mit sich geschleppt!
    Besser wäre
es gewesen, sie wären in Atlanta umgekommen, als nach der Folter dieses
Sonnentages im rüttelnden Wagen vor den stummen Ruinen von Tara zu sterben.
    Aber
Ashley hatte Melanie Scarletts Fürsorge anvertraut. Ach, der herzzerbrechend
schöne Tag, da er sie zum Abschied geküßt hatte, ehe er für immer fortging!
»Versprich es mir!« Warum hatte sie sich an ein solches Versprechen gebunden,
das sie nun doppelt belastete, seitdem Ashley dahin war! In all ihrer
Erschöpfung haßte sie doch noch Melanie und das winzige Stimmchen des
Neugeborenen, das immer schwächer in die Stille hinausdrang. Aber sie hatte es
Ashley versprochen, und nun gehörten Melanie und das Kleine ihr, genauso wie
Wade und Prissy, und sie mußte sich für sie abmühen und kämpfen, solange noch
Kraft und Atem in ihr waren. Sie hätte sie in Atlanta lassen, Melanie im
Lazarett abliefern und dann fortgehen können. Hätte sie das aber getan, so
hätte sie weder auf Erden noch im Himmel Ashley jemals wieder ins Angesicht
sehen können. Ach, Ashley! Wo war er jetzt, während sie sich mit seiner Frau
und seinem Kind diesen gespenstischen Weg entlangmühte? Lebte er noch, und
dachte er an sie?
    Ihre aufs
äußerste angespannten Nerven wollten schier zerreißen, als im Unterholz neben
ihr plötzlich ein Geräusch laut wurde. Prissy kreischte auf und warf sich über
das Kleine hinweg auf den Boden des Wagens nieder. Melanie machte eine schwache
Bewegung und tastete nach dem Kind, Wade hielt sich die Augen zu und kauerte
sich zusammen, zu verängstigt, um noch zu weinen. Dann krachte das Gebüsch
unter schweren Hufen auseinander, und ein tiefes, schmerzliches Gebrüll schlug
ihnen ans Ohr.
    »Das ist
nur eine Kuh«, murmelte Scarlett, und es Hang heiser vor Schrecken. »Sei nicht
so dumm, Prissy, du hast das Kleine gequetscht und Miß Melly und Wade
erschreckt!«
    »Ein
Gespenst«, stöhnte Prissy und preßte ihr Gesicht fest auf den Wagenboden.
    Nun wandte
Scarlett sich zu ihr um und hob in voller Überlegung die Gerte, die sie als
Peitsche gebraucht hatte, empor und zog sie Prissy über den Rücken. Sie war
selber zu erschöpft und schwach, um auch noch bei anderen Schwäche dulden zu
können.
    »Sitz
gerade, du Schafskopf«, schrie sie, »sonst bekommst du noch mehr zu fühlen.«
Winselnd hob Prissy den Kopf, spähte über die Bretter des Wagens hinweg und
sah, daß es wirklich eine buntscheckige Kuh war, die sie mit großen,
erschrockenen Augen ansah und zu neuem Gebrüll das Maul öffnete, als litte sie
Schmerzen.
    »Ist sie
verletzt? Es klingt nicht wie gewöhnliches Muhen.«
    »Klingt,
als ob Euter voll und melken ihr mächtig not«, sagte Prissy jetzt ruhiger. »Ist
wohl eine von Master Maclntoshs, die die Neger in den Wald jagen und die
Yankees nicht gekriegt haben.«
    »Wir
nehmen sie mit«, entschied Scarlett sofort, »dann haben wir Milch für das
Kleine.«
    »Wie
sollen wir denn Kuh mitnehmen, Miß Scarlett?« widersprach Prissy. »Wir können
doch nicht Kuh mitnehmen, müssen gemolken werden, sonst Euter schwellen auf und
platzen und darum brüllen sie.«
    »Zieh
deinen Unterrock aus, zerreiß ihn und binde sie hinten an den Wagen.«
    »Ach, Miß
Scarlett, ich haben doch schon einen Monat keine Unterrock mehr, und wenn ich
einen haben, gebe ich ihn nicht ganz umsonst für eine Kuh her. Ich haben noch
nie mit Kühen zu tun gehabt, ich bin vor Kühen bange.«
    Scarlett
ließ die Zügel los und zog ihren Rock in die Höhe. Der spitzenbesetzte
Unterrock darunter war das letzte gute Kleidungsstück, das sie besaß, und das
letzte, welches noch heil war. Sie löste das Band, raffte die weichen
Batistfalten fest zusammen und zog sich den Unterrock über die Füße. Batist und
Spitze hatte Rhett ihr mit dem letzten Boot, das er durch die Blockade
gesteuert hatte, mitgebracht. Sie hatte eine Woche daran gearbeitet.
Entschlossen riß sie den Stoff der Länge nach auseinander. Bald lag der ganze
Unterrock in Streifen vor ihr. Mit ihren Fingern, die aus vielen Blasen
bluteten und vor

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