Margaret Mitchell
Sorgfalt alles, was ihr
aufgetragen wurde. Sie war bei all ihrer zerbrechlichen Zartheit willig,
gehorsam und gefällig. Wenn sie nicht gerade für Scarlett etwas zu verrichten
hatte, glitten ihr beständig die Perlen des Rosenkranzes durch die Finger, und
ihre Lippen bewegten sich im Gebet für ihre Mutter und für Brent Tarleton. Sie
hatte sich Brents Tod so zu Herzen genommen, daß die Wunde nicht vernarben
wollte. Für Scarlett aber war Carreen noch immer »die Kleine« und viel zu jung
für eine wirklich ernste Liebe.
Scarlett
stand auf dem Baumwollfeld in der Sonne. Der Rücken schmerzte ihr vom ewigen
Bücken. Die Hände waren ihr von den dürren Kapseln rauh, und sie sehnte sich
nach einer Schwester, die Suellens Kraft und Energie mit Carreens Sanftmut
verbände. Carreen pflückte emsig und ernsthaft. Aber nachdem sie eine Stunde
gearbeitet hatte, stellte sich immer wieder heraus, daß nicht Suellen, sondern
sie noch viel zu krank für solche Arbeit war. Deshalb schickte Scarlett sie ins
Haus zurück.
Auf dem
großen Feld waren jetzt nur noch Dilcey und Prissy bei ihr. Prissy pflückte
träge und unregelmäßig, klagte über ihre Füße, ihren Rücken, ihre inneren
Leiden und ihre völlige Erschöpfung, bis ihre Mutter sie mit einem
Baumwollstengel schlug, daß sie aufkreischte. Dann arbeitete sie etwas besser
und achtete darauf, ihrer Mutter nicht wieder in die Quere zu kommen.
Dilcey
dagegen arbeitete schweigend und unermüdlich wie eine Maschine. Und Scarlett,
deren Rücken und Schultern von dem Gewicht des Baumwollsackes schmerzten, war
voller Bewunderung. »Dilcey«, sagte sie, »wenn bessere Zeiten kommen, vergesse
ich es dir nicht.«
Die
bronzefarbene Riesin geriet nicht außer sich, wie alle Neger es sonst bei einem
Lobe taten. Sie wandte Scarlett ihr unbewegliches Gesicht zu und sagte mit
Würde: »Danke, Miß Scarlett. Master Gerald und Missis Ellen sind gut zu mir
gewesen. Master Gerald hat meine Prissy gekauft, damit ich nicht traurig bin,
das ich ihm nie vergesse. Indianer vergessen nicht, wenn jemand gut zu ihnen.
Es tut mir leid wegen Prissy. Sie ist ein großer Nichtsnutz. Sie sieht auch
ganz wie ein Neger aus, wie ihr Pa. Ihr Pa war auch ein Nichtsnutz.«
Trotz
aller Schwierigkeiten, die Pflückarbeit durchzuführen, und trotz aller
Bitterkeit, sie selber verrichten zu müssen, hoben sich Scarletts Lebensgeister
doch, als die Baumwolle allmählich vom Felde in die Hütten wanderte. Die
Baumwolle hatte etwas Tröstliches und Beruhigendes. Wie der ganze Süden war
auch Tara durch die Baumwolle reich geworden, und Scarlett war ein Kind ihrer
Heimat. Sie glaubte daran, daß Tara und der ganze Süden aus den roten Feldern
neu erstehen würden. Wenn die Ernte auch nicht groß war, so würde sie doch eine
kleine Summe in konföderiertem Geld einbringen, und dann ließen sich vielleicht
das Gold und die Unionscheine, die sie im Tornister des Yankees gefunden
hatten, noch aufsparen. Im nächsten Frühling wollte sie versuchen, Big Sam und
die anderen angemusterten Feldneger von der konföderierten Regierung wieder
freizubekommen. Gelang dies nicht, so wollte sie das Geld des Yankees dazu
benutzen, den Nachbarn Feldneger abzumieten. Im nächsten Frühling wollte sie
pflanzen, pflanzen, pflanzen. Sie reckte den müden Rücken und sah im Geist auf
den braunen herbstlichen Feldern schon die Saat des nächsten Jahres grün und
kräftig stehen.
Nächsten
Frühling! Vielleicht war dann der Krieg aus, und es kamen wieder bessere
Zeiten. Mochten die Konföderierten gewinnen oder verlieren, schlechter konnten
die Zeiten nicht mehr werden. Alles andere war der ewigen Gefahr vorzuziehen,
von einer der beiden feindlichen Armeen geplündert zu werden. Wenn der Krieg
erst zu Ende war, dann konnte man wieder das Feld in der Hoffnung bestellen,
das Gesäte auch zu ernten.
Sie
hoffte. Der Krieg konnte nicht ewig dauern. Sie hatte ihr bißchen Baumwolle,
sie hatte zu essen, sie hatte ein Pferd und einen kleinen, sorglich gehüteten
Geldvorrat. Ja, das Schlimmste war vorüber.
27
Mitte
November saßen sie eines Tages alle um den Mittagstisch und waren beinahe mit
der Nachspeise fertig, die Mammy aus Maismehl und getrockneten Heidelbeeren
zusammengebraut und mit Rohrzucker gesüßt hatte. Zum erstenmal im Jahr war die
Luft kühl, und Pork, der hinter Scarletts Stuhl stand, rieb sich vergnügt die
Hände und fragte: »Ist es nicht bald Zeit zum Schweineschlachten, Miß
Scarlett?«
»Du witterst
wohl schon
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