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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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und
Unterröcken, dann saß Melanie im Sattel, die Füße baumelten ihr hoch über den
Steigbügeln. Sie ergriff die Zügel und drückte die Absätze in die Weichen des
Pferdes, aber plötzlich drehte sie ihr verzerrtes Gesicht zurück. »Mein
Kleines«, schrie sie, »die Yankees schlagen es tot! Gib es mir her!«
    Schon
wollte sie wieder vom Pferd herabgleiten, aber Scarlett rief: »Weiter, weiter!
Hol die Kuh! Um das Kleine kümmere ich mich. Weiter, sage ich. Meinst du, ich
ließe ihnen Ashleys Kind?« Verzweifelt sah Melanie zurück, hämmerte aber mit
den Absätzen ins Pferd hinein, der Kies stob, und dann war sie die Einfahrt
hinunter zur Wiese verschwunden.
    »Melly
Hamilton im Herrensitz«, dachte Scarlett. »Wer hätte das für möglich gehalten!«
    Dann
stürzte sie ins Haus, Wade lief schluchzend hinter ihr her. Als sie, immer zwei
Stufen überspringend, die Treppe hinaufstürmte, sah sie Suellen und Carreen mit
Spankörben am Arm in die Speisekammer laufen und Pork seinen Herrn unsanft am
Arm nach der Hintertür zerren. Gerald brummte eigensinnig, ließ aber wie ein
Kind alles mit sich geschehen.
    Aus dem
Hintergarten hörte sie Mammys schrille Stimme: »Priß, du kriechst runter und
langst mir die Ferkel! Du weißt, ich bin zu dick, um durchs Gitter zu kommen
... Dilcey, komm her und bring den Nichtsnutz auf Schwung!«
    »Und ich
dachte, es wäre ein so guter Gedanke, die Schweine unter dem Hause zu halten,
wo niemand sie findet«, dachte Scarlett und lief in ihr Zimmer. »Warum habe ich
nicht unten im Waldsumpf einen Verschlag für sie gebaut!« Sie riß die obere
Schreibstischschublade auf und holte die Brieftasche des Yankees hervor. Hastig
zog sie den Diamantring und die Brillantohrringe aus ihrem Versteck im Nähkorb
und legte sie mit in die Brieftasche. Wo sollte sie sie nur verstecken? In der
Matratze? Im Schornstein? Im Brunnen? In den Busen stecken? Nein, nur das
nicht. Die Brieftasche würde sich durch ihr Kleid abzeichnen, und wenn die
Yankees das sahen, würden sie sie nackt ausziehen und sie untersuchen.
    Unten war
ein wirres Durcheinander von laufenden Schritten und schluchzenden Stimmen. In
all ihrer Aufregung wünschte Scarlett sich Melanie mit ihrer Ruhe herbei. Melly
wog drei der anderen auf. Was hatte sie noch gesagt? Ach ja, das Kleine. Sie
packte die Brieftasche und lief in das Zimmer, wo das Baby in seiner niedrigen
Wiege schlummerte. Sie riß es heraus und nahm es auf den Arm, es wachte auf,
reckte die Fäustchen und sabberte im Schlaf. Sie hörte Suellen rufen: »Schnell,
Carreen, schnell, wir haben genug!« Aus dem Hintergarten erscholl ein wildes
Quieken und Grunzen, und durch das Fenster sah Scarlett Mammy eilig über das
Baumwollfeld watscheln, unter jedem Arm ein sich sträubendes Ferkel, und Pork, der
Gerald vor sich herschob, ebenfalls mit zwei Ferkeln hinterher.
    Gerald
stapfte über die Furchen und schwang den Stock. Scarlett lehnte sich aus dem
Fenster und schrie: »Hol die Sau, Dilcey! Prissy soll sie herausjagen, du
kannst sie über die Felder treiben.«
    Dilcey
blickte mit ihrem bronzenen Gesicht auf. In der Schürze hatte sie einen Haufen
Tafelsilber. Sie wies unter das Haus. »Die Sau hat Prissy gebissen und
eingeklemmt.«
    »Tüchtige
Sau!« dachte Scarlett. Sie lief wieder in ihr Zimmer und holte die Armspangen,
die Brosche, das Miniaturbild und den Becher, die sie bei dem toten Yankee
gefunden hatte, aus ihrem Versteck. Wohin damit? Das kleine Baby auf dem einen
Arm zu tragen und die Brieftasche und den Schmuck in der anderen Hand, war sehr
unbequem. Deshalb legte sie das Kind wieder nieder. Es fing an zu schreien. Da
kam ihr ein Gedanke: Wo konnte sie die Wertsachen besser verstecken als in den
Windeln des Kindes? Rasch legte sie es auf den Bauch und schob ihm die
Brieftasche hinten in die Windeln hinein. Es schrie laut bei dieser ungewohnten
Behandlung. Hastig band sie das dreieckige Tuch wieder fest um seine
strampelnden Beine. Sie holte tief Atem. Nun in den Wald!
    Sie nahm
das schreiende Kind auf den Arm, umklammerte den Schmuck und stürzte in den
oberen Flur. Plötzlich hielt sie im raschen Lauf inne, die Knie wurden ihr
schwach vor Schrecken. Wie entsetzlich still das Haus war! Waren sie alle schon
fort und hatten sie vergessen? Hatte niemand auf sie gewartet? So hatte sie es
nicht gemeint! Wenn nun die Yankees kamen, so konnten sie einer einsamen Frau
alles nur Erdenkliche antun ...
    Bei einem
leisen Geräusch fuhr sie auf und sah am Geländer ihren

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