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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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verblieben war, mit ihr auf das freigebigste. Sie wollten
keinen Pfennig dafür nehmen und sagten, Scarlett würde ihnen ja sicherlich
Gleiches mit Gleichem vergelten, wenn sie in Not wären, und sie könnte im
nächsten Jahre, wenn Tara wieder etwas abwürfe, in Waren bezahlen.
    Nun konnte
Scarlett ihren Haushalt ernähren. Sie hatte ein Pferd, sie hatte Geld und die
Juwelen, die sie dem Marodeur abgenommen hatte; das dringendste Bedürfnis waren
jetzt neue Kleider. Freilich war es ein gewagtes Unternehmen, Pork nach dem
Süden zu schicken, um neue Kleider zu kaufen, denn Yankees und Konföderierte
konnten das Pferd abfangen. Aber es mußte gewagt werden.
    Ja, das
Schlimmste war überstanden. Jeden Morgen beim Aufstehen dankte Scarlett Gott
für den hellblauen Himmel und die warme Sonne. Jeder schöne Tag schob das
unausweichliche Bedürfnis nach warmer Kleidung hinaus. Und mit jedem warmen
Tage häufte sich mehr Baumwolle in dem leeren Sklavenviertel, dem einzigen
Stapelplatz, der der Plantage geblieben war. Die Felder trugen mehr Baumwolle,
als sie und Pork geschätzt hatten, wahrscheinlich vier Ballen, und bald waren
die Hütten voll.
    Scarlett
hatte, trotz Großmama Fontaines strengem Verweis, nicht die Absicht gehabt,
selber zu pflücken. Es war undenkbar, daß sie, Herrin auf Tara, auf dem Feld
arbeiten sollte. Diese Aufgabe wies sie den Negern zu, während sie selbst und
die genesenden Mädchen das Haus besorgen wollten. Aber da stieß sie auf einen Kastengeist,
der noch stärker war als ihr eigener. Pork, Mammy und Prissy verwahrten sich
laut und heftig gegen die Zumutung, auf dem Felde zu arbeiten. Sie wiederholten
immer aufs neue, sie seien Hausneger und keine Feldnigger. Besonders Mammy
beteuerte leidenschaftlich, sie sei niemals auch nur ein Gartenneger gewesen.
Sie war bei Robillards im Herrenhaus und nicht im Negerviertel geboren, sie war
im Schlafzimmer der alten Miß aufgezogen worden, wo sie am Fußende des Bettes
auf einem Strohsack geschlafen hatte. Nur Dilcey sagte kein Wot und sah Prissy
so fest und unbeweglich an, daß das Mädchen sich vor Verlegenheit drehte und
wand.
    Scarlett
aber wollte nichts von diesen Weigerungen hören und trieb sie allesamt auf das
Baumwollfeld hinaus. Hier arbeiteten Mammy und Pork so langsam und mit so viel
Gejammer, daß Scarlett die Alte in die Küche zurückschickte und Pork in den
Wald und an den Fluß, um Kaninchen und Opossums mit Schlingen zu fangen und
Fische zu angeln. Baumwollpflücken war weit unter Porks Würde, Jagen und
Fischen dagegen nicht.
    Dann hatte
Scarlett es mit ihren Schwestern und Melanie versucht, doch ohne besseren
Erfolg. Melanie hatte eine Stunde lang sauber, flink und willig in der heißen
Sonne gearbeitet, war dann aber in Ohnmacht gefallen und mußte eine Woche lang
das Bett hüten. Suellen spielte erbittert und tränenreich ebenfalls einen
Ohnmachtsanfall und kam spuckend und fauchend wie eine wütende Katze zum
Bewußtsein zurück, als Scarlett ihr eine Kürbisflasche voll Wasser ins Gesicht
goß. Schließlich weigerte sie sich rundweg.
    »Ich will
nicht wie eine Schwarze auf dem Felde arbeiten, dazu kannst du mich nicht
zwingen. Wenn das jemand von unseren Freunden hörte! Wenn das Mr. Kennedy je
erführe ... ach, wenn Mutter das wüßte!«
    »Wenn du
noch einmal Mutters Namen nennst, Suellen O'Hara, bekommst du eine Ohrfeige«,
fuhr Scarlett sie an, »Mutter hat schwerer gearbeitet als irgendein Schwarzer
hier!«
    »Aber
nicht auf dem Felde! Ich beschwere mich bei Papa!«
    »Daß du
mir nicht Pa mit diesen Sachen kommst!« In Scarletts Zorn über ihre Schwester
mischte sich die Angst um Gerald.
    Jetzt
legte sich Carreen ins Mittel. »Ich helfe dir, Scarlett, ich arbeite für Sue
und mich zusammen. Sie ist noch nicht wieder ganz wohl!«
    »Dank dir,
Liebes«, sagte Scarlett. Aber die jüngere Schwester machte ihr Sorge. Carreens
zartes gedankenvolles Gesichtchen hatte noch immer etwas von der Lieblichkeit
der Obstblüte im Frühlingswind. Immer noch ging sie wie in einer Betäubung
umher, seitdem ihr das Bewußtsein wiedergekehrt war und sie Ellen nicht mehr
vorgefunden hatte, seitdem Scarlett die Herrin geworden war, seitdem die Welt
sich verändert hatte und unaufhörliche Arbeit die Losung der neuen Zeit hieß.
Es lag nicht in Carreens zarter Natur, sich so grausam veränderten Verhältnissen
leicht anzupassen. Sie konnte einfach nicht begreifen, was geschehen war, ging
wie schlafwandelnd auf Tara umher und tat mit großer

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