Margaret Mitchell
die
Yankees standen, wie es den Konföderierten erging, was in Atlanta geschehen und
was aus vielen alten Freunden geworden war. Frank, den der Dienst in alle Teile
der Provinz führte, war so gut wie eine Zeitung, besser sogar, denn er war mit
fast jedermann zwischen Macon und Atlanta verwandt oder bekannt, und konnte
vieles erzählen, was nicht einmal die Zeitungen brachten. Um seine Verlegenheit
zu bemänteln, stürzte er sich hastig in allerlei Neuigkeiten. Die
Konföderierten, erzählte er, hätten Atlanta zurückgewonnen, nachdem Sherman
abmarschiert war - ein wertloser Gewinn, denn Sherman hatte es vollständig
niedergebrannt.
»Aber ich
dachte Atlanta hätte schon gebrannt, als wir flohen«, rief Scarlett verwundert
dazwischen. »Ich dachte, unsere eigenen Leute hätten es angezündet.«
»Aber
nein, Miß Scarlett«, erwiderte Frank empört. »Nie hätten wir eine unserer
Städte mit unseren eigenen Leuten darin in Brand gesteckt! Was Sie brennen
sahen, waren die Speicher, weil die Vorräte den Yankees nicht in die Hände
fallen sollten, die Gießereien und die Munition, das war alles. Als Sherman die
Stadt einnahm, standen noch alle Häuser und Läden unverändert da. Seine Leute
haben dort in Quartier gelegen.«
»Aber was
ist mit den Einwohnern geschehen? Sind sie umgebracht worden?«
»Einige
wohl, aber nicht durch Kugeln«, versetzte der einäugige Soldat grimmig. »Gleich
bei seinem Einmarsch in Atlanta eröffnete Sherman dem Bürgermeister, alle
Einwohner bis zum letzten hätten die Stadt zu verlassen. Da waren viele alte
Leute, die den Marsch nicht aushielten, Kranke, die sich nicht hätten vom Fleck
rühren dürfen, Damen in ... nun Damen, die sich auch nicht hätten rühren
dürfen. Er aber trieb sie bei dem fürchterlichsten Unwetter, das man je erlebt
hat, zu Hunderten und aber Hunderten aus der Stadt, bis in die Wälder bei Rough
and Ready, und ließ General Hood sagen, er solle sie dort abholen. Da sind viele
an Lungenentzündung gestorben oder einfach daran, daß sie solche Behandlung
nicht aushielten.«
»Ach,
warum hat er das getan! Sie hätten ihm doch keinen Schaden zugefügt!« rief
Melanie entsetzt.
»Er sagte,
er brauche die Stadt, damit seine Leute und seine Pferde ein Unterkommen
hätten«, erwiderte Frank. »Das dauerte bis Mitte November, und dann zog er ab.
Zuvor legte er an allen Ecken Feuer an, und alles ist niedergebrannt.«
»Oh, aber
doch wohl nicht alles!« riefen die Mädchen zutiefst erschrocken. Daß diese
geschäftige Stadt mit all den vielen Bürgern und Soldaten dahin sein sollte,
war ihnen unfaßlich. All die schönen Häuser unter den schattigen Bäumen, all
die großen Läden und die eleganten Hotels - das konnte doch nicht alles
zerstört sein! Melanie war den Tränen nahe. Sie war dort geboren und hatte
keine andere Heimat. Auch Scarlett war das Herz schwer, weil sie die Stadt fast
ebenso liebgewonnen hatte wie Tara.
»Nun ...
beinahe alles«, berichtigte Frank sehr eifrig, als er all die unglücklichen
Gesichter sah. Er versuchte, eine fröhliche Miene aufzusetzen. Damen in
Entsetzen zu stürzen, war seine Sache nicht. Ihnen das Allerschlimmste
mitzuteilen, konnte er nicht über sich gewinnen; das mochten sie von jemand
anderem erfahren. Er erzählte ihnen nicht, was das Heer erblickt hatte, als es
wieder in Atlanta einmarschierte. Das weite, trostlose Gebiet, wo nur noch die
Schornsteine schwarz aus den Aschenhaufen ragten; der halbverbrannte Kehricht
und die Trümmerfelder, in die sich die Straßen verwandelt hatten; die vom Feuer
vernichteten alten Bäume mit den verkohlten Ästen, die im kalten Wind
niederbrachen. Hoffentlich erfuhren die Damen nie etwas von den Greueln auf dem
geschändeten Kirchhof. Nie würden sie darüber hinwegkommen. Charlie Hamilton
und Melanies Eltern lagen dort begraben. Das Bild dieses Friedhofes verfolgte
Frank noch bis in seine Träume hinein. Die Yankees hatten gehofft, in den
Gräbern Schmucksachen zu finden. Sie hatten sie erbrochen und die Leichen
ausgeraubt, sie hatten von den Särgen die goldenen Namensschilder, die
silbernen Beschläge und Griffe abgerissen. In wüstem Durcheinander lagen die
Gebeine und die Leichen zwischen ihren zertrümmerten Särgen, ein Anblick
grausigen Jammers.
Frank
mochte auch nichts von den Hunden und Katzen erzählen. Wie hatten den Damen
ihre Lieblinge am Herzen gelegen! Die Tausende halbverhungerter Tiere, die
heimatlos umherstrichen, nachdem ihre Herren so unbarmherig verjagt
Weitere Kostenlose Bücher