Margaret Mitchell
sehr verstimmt, Suellen?«
»Furchtbar«,
antwortete Suellen und lächelte Frank beglückt zu. Als sie das Zimmer
verließen, blieb Frank zurück und zupfte Scarlett am Ärmel. »Darf ich Sie einen
Augenblick allein sprechen?«
Sofort
überkam sie eine schreckliche Angst, er wolle ihr das Vieh abfordern, und sie
bereitete sich auf eine stichhaltige Lüge vor. Als das Zimmer leer war und sie
zusammen am Feuer standen, wich alle frohe Zuversicht, die Frank vor den
anderen zur Schau getragen hatte, aus seinem Gesicht. Er sah aus wie ein alter
Mann. In tiefen Gedanken strich er sich über seinen dünnen rotgelben Backenbart
und räusperte sich mit beängstigender Unschlüssigkeit, ehe er anfing zu
sprechen.
»Das mit
Ihrer Mutter tut mir furchtbar leid, Miß Scarlett.«
»Bitte,
reden Sie nicht davon.«
»Und Ihr
Vater ist seitdem ... «
»Ja, er
ist nicht mehr ganz beieinander, wie Sie sehen.«
»Verzeihen
Sie, Miß Scarlett.« Er trat unruhig von einem Fuß auf den andern. »Ich wollte
etwas mit Ihrem Vater besprechen und sehe nun, daß es nicht geht.«
»Vielleicht
kann ich Ihnen helfen? Ich bin jetzt das Haupt der Familie.«
»Die Sache
ist die ...« Wieder kratzte und zupfte Frank sich aufgeregt am Bart. »Miß
Scarlett, ich wollte bei ihm um Miß Suellen anhalten.«
»Sie
wollen mir doch nicht weismachen«, rief Scarlett in belustigtem Entsetzen aus,
»daß Sie Pa noch nicht darum gefragt haben. Sie machen Suellen doch schon seit
Jahren den Hof.«
Er wurde
rot, lächelte verlegen und sah aus wie ein schüchterner, dummer Junge.
»Ich wußte
nicht, ob sie mich haben wollte, ich bin so viel älter als sie, und so viele
gutaussehende junge Männer machten Tara unsicher ...«
»Oho«,
dachte Scarlett, »das geschah meinetwegen und nicht ihretwegen.«
»Ich weiß
immer noch nicht recht, ob sie mich will. Gefragt habe ich sie nie, aber sie
muß wissen, wie es um mich steht. Ich hatte mir vorgenommen, Mr. O'Hara die
Wahrheit zu sagen und ihn um Erlaubnis zu fragen. Aber ich habe ja im
Augenblick nicht einen einzigen Cent. Früher hatte ich viel Geld, wenn ich das
sagen darf, aber jetzt habe ich nur noch mein Pferd und den Rock auf dem Leibe.
Sehen Sie, als ich ins Heer eintrat, habe ich fast allen Grundbesitz verkauft
und mein Geld in konföderierten Anleihen angelegt, und die sind jetzt weniger
wert als das Papier, worauf sie gedruckt sind. Und selbst diese Anleihescheine
sind mit abgebrannt, als die Yankees das Haus meiner Schwester anzündeten. Ich
weiß, es ist dreist von mir, um Miß Suellen anzuhalten, wo ich keinen Cent
besitze, aber mir kommt der Krieg vor wie das Ende der Welt. Es gibt nichts
mehr, auf das man sich verlassen kann, und da wäre es für mich ein großer
Trost, wenn wir verlobt wären, und für Suellen am Ende auch. Das wäre doch
etwas Sicheres. Ich will sie ja nicht eher heiraten, als bis ich für sie sorgen
kann, Miß Scarlett, und wann das ist, weiß ich nicht Aber wenn Sie etwas auf
echte Liebe geben, so können Sie sicher sein, daß Miß Suellen daran wenigstens
nicht Mangel leiden soll.«
Die
letzten Worte sagte er mit einer so schlichten Würde, daß Scarlett ganz gerührt
war, so drollig sie ihn auch fand. Daß man Suellen lieben konnte, war ihr
unfaßlich. Ihr war die Schwester ein Ungeheuer an Selbstsucht und mit ihrem
ewigen Gejammer die Widerwärtigkeit in Person.
»Nun, Mr.
Kennedy«, sagte sie endlich, »das ist doch alles sehr schön und gut. Ich bin
überzeugt, ich darf in Pas Namen sprechen. Er hat immer viel von Ihnen gehalten
und es nie anders erwartet, als daß Suellen Sie eines Tages heiratet.«
»Wahrhaftig?«
Frank strahlte.
»Ja,
freilich!« Scarlett verbiß sich ein Lächeln, als ihr wieder einfiel, wie oft
Gerald beim Abendessen Suellen geneckt hatte; »Nun, Missy, wie steht es, soll
ich deinen eifrigen Verehrer einmal fragen, was er sich denkt?«
»Ich frage
sie heute abend noch«, rief Frank Kennedy aufgeregt, faßte Scarletts Hand und
schüttelte sie heftig. »Sie sind so gut, Miß Scarlett.«
»Ich
schicke sie Ihnen heraus«, lächelte Scarlett und wandte sich ab, um ins
Wohnzimmer zu gehen. Melanie fing eben an zu spielen. Der Flügel war jämmerlich
verstimmt, aber einige Saiten klangen noch, und Melanie begann das Lied »Hört
der Engel Verkündigung!«
Scarlett
blieb auf halbem Wege stehen und drehte sich jäh wieder zu Frank um. »Was
wollten Sie damit sagen - der Krieg käme Ihnen vor wie das Ende der Welt?«
»Ich will
offen sein«,
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