Margaret Mitchell
Peter und Cookie sorgen.«
»Dich hält
doch nichts hier«, sagte Scarlett kurz.
»Ich
möchte nicht von dir weg«, antwortete Melanie. »Ohne dich ängstige ich mich zu
Tode.«
»Wie du
willst. Ich gehe nicht nach Atlanta zurück. Sobald ein paar neue Häuser wieder
stehen, kommt Sherman und brennt sie abermals ab.«
»Er kommt
nicht wieder«, sagte Frank und machte ein betrübtes Gesicht, obwohl er sich zu
beherrschen suchte. »Er ist an die Küste gezogen und hat Savannah eingenommen,
und es heißt, er marschiert weiter nach Südcarolina.«
»Savannah
gefallen!«
»Ja, meine
Damen, es konnte nicht anders kommen. Sie hatten nicht Leute genug, es zu
halten, obwohl sie jeden einstellten, der einen Fuß vor den andern setzen
konnte. Als die Yankees auf Milledgeville marschierten, haben die Unsrigen die
Kadetten aus den Militärakademien angefordert, einerlei, wie alt sie waren, und
sogar das Zuchthaus geöffnet, um frische Truppen zu bekommen. Jawohl, sie haben
jeden Sträfling freigelassen, der mitkämpfen wollte, und ihm Begnadigung
versprochen, falls er den Krieg überlebt. Mir kam die Gänsehaut, als ich die
Kadetten in einer Reihe mit Dieben und Halsabschneidern aufmarschieren sah.«
»Wie, die
Sträflinge haben sie losgelassen?«
»Ach, Miß
Scarlett, sie sind weit von hier entfernt, und außerdem sind es gute Soldaten.
Auch ein Dieb kann ein guter Soldat sein.«
»Ich finde
es großartig«, sagte Melanie leise.
»Ich aber
nicht«, gab Scarlett unverblümt zurück. »Es laufen ohnehin genug Diebe herum,
die Yankees und ... «
Sie hielt
rechtzeitig inne, aber die Männer lachten.
»Und
unsere Intendantur«, vollendeten sie, und Scarlett errötete.
»Aber wo
steht denn General Hood?« warf Melanie rasch ein. »Hätte er nicht Savannah
halten können?«
»Aber Miß
Melanie«, erklärte Frank vorwurfsvoll, »in der Gegend ist Hood doch gar nicht
gewesen. Er hat oben in Tennessee gekämpft und versucht, die Yankees aus
Georgia herauszulocken.«
»Und wie
herrlich ist es ihm geglückt!« spottete Scarlett. »Die verfluchten Yankees hat
er quer durch unser Land ziehen lassen, und Schuljungens, Sträflinge und
Landwehr sollen uns verteidigen.«
»Tochter!«
Gerald raffte sich auf. »Du lästerst! Deine Mutter wird sich grämen!«
»Verfluchte
Yankees sind es!« rief Scarlett böse. »Ich werde sie nie anders nennen.«
Als Ellens
Name fiel, verstummten sie alle. Wieder half Melanie darüber hinweg. »Haben Sie
in Macon India und Honey Wilkes gesehen? Haben die beiden ... etwas von Ashley
gehört?«
»Aber Miß
Melly«, sagte Frank vorwurfsvoll, »Sie wissen sehr gut, daß ich dann
spornstreichs von Macon bis hierher geritten wäre, um Ihnen die Nachricht zu
bringen. Nein, sie hatten nichts gehört. Aber ängstigen Sie sich nicht um
Ashley. Gewiß, es ist lange her, seitdem Sie Nachricht von ihm hatten, aber Sie
können nicht erwarten, von jemand, der gefangensitzt, Briefe zu bekommen. Und
bei den Yankees ist es in den Gefangenenlagern nicht so schlecht bestellt wie
bei uns. Schließlich haben die Yankees doch reichlich zu essen und Arzneien und
Decken genug. Sie sind nicht so schlimm dran wie wir.«
»Wohl
haben sie Überfluß an allem«, sagte Melanie bitter, »aber sie geben ihren
Gefangenen nichts. Sie wissen, Mr. Kennedy, daß unsere Jungens sich dort zu
Tode frieren und hungern und ohne Arzt und Arzneien zugrunde gehen, nur weil
die Yankees uns so bitterlich hassen. Könnten wir doch jeden Yankee vom
Erdboden vertilgen! Ach, ich weiß, Ashley ist ...«
»Sprich es
nicht aus!« fuhr Scarlett mit tränenerstickter Stimme dazwischen. Solange
niemand die schrecklichen Worte sagte, daß Ashley tot sei, behielt sie im
Herzen die leise Hoffnung, er könne noch leben; erklang das Gefürchtete aber in
Worten, so starb er, das fühlte sie, in dem gleichen Augenblick.
»Nun, nun,
Mrs. Wilkes, machen Sie sich keine Gedanken«, beruhigte sie der Einäugige. »Ich
wurde in der ersten Schlacht bei Manassas gefangengenommen und später
ausgetauscht, und als ich im Gefängnis war, haben sie mich gut behandelt,
Brathuhn und heißen Zwieback ... «
»Ich
fürchte, das ist nicht wahr«, lächelte Melanie leise, »was meinen Sie?«
»Ich fürchte
auch!« Der Einäugige schlug sich lachend auf die Schenkel. »Wenn Sie alle mit
ins Wohnzimmer kommen wollen, singen wir ein paar Weihnachtslieder.« Melanie
war froh, das Gespräch zu wechseln. »Den Flügel haben die Yankees uns nicht
fortschleppen können. Ist er
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