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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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worden
waren, hatten Franks Herz fast ebenso wie die Friedhofsschändungen zerrissen.
Scheu, gefühllos, heißhungrig und wild wie die Geschöpfe des Waldes waren die
Tiere gewesen, die Starken waren den Schwachen zu Leibe gegangen, die Schwachen
hatten auf den Tod der noch Schwächeren gewartet, um sie aufzufressen. Und über
der zerstörten Stadt hatten die unheimlichen schwarzen Raubvögel unter dem
fahlen Winterhimmel gekreist.
    Frank
Kennedy suchte verzweifelt in seinem Kopf nach irgend etwas Tröstlichem, was er
den Damen mitteilen könnte, damit ihnen wohler zumute werde. »Einige Häuser
stehen noch«, sagte er, »Häuser auf großen Grundstücken, die von den anderen
entfernt stehen und nicht Feuer gefangen haben. Die Kirchen und die
Freimaurerloge sind verschont geblieben und auch ein paar Läden. Aber die
Geschäftsgegend und alles an der Eisenbahnstrecke und in Five Points ... ja,
meine Damen, dieser Teil der Stadt ist nun dem Erdboden gleich.«
    »Dann ist
der Speicher«, fragte Scarlett, »den Charlie mir hinterlassen hat, dort unten
an den Schienen, auch abgebrannt?«
    »Wenn er
in der Nähe der Schienen war, steht er nicht mehr, aber...« Plötzlich lächelte
Frank. Warum hatte er nicht eher daran gedacht? »Kopf hoch, meine Damen! Das
Haus Ihrer Tante Pitty ist noch da, zwar ein wenig beschädigt, aber es steht
noch.«
    »Oh, wie
kommt das?«
    »Es ist
aus Backstein und hat ein Schieferdach, und darum haben die Funken es nicht in
Brand gesetzt. Außerdem ist es das letzte Haus am Nordende der Stadt, und dort
war es mit dem Feuer nicht so schlimm. Natürlich haben die Yankees, die dort
einquartiert waren, bös darin gehaust und sogar die Täfelung und das
Mahagonigeländer an der Treppe als Feuerholz verwendet, aber sonst ... nun, es
ist nicht unbewohnbar. Als ich Miß Pitty vorige Woche in Macon sah ... «
    »Sie haben
sie gesehen? Wie geht es ihr?«
    »Glänzend,
glänzend. Als ich ihr erzählte, daß ihr Haus noch da stehe, wollte sie auf der
Stelle wieder hinfahren ... falls Peter, der alte Schwarze, es erlaubte. Viele
Leute aus Atlanta sind schon wieder da, weil ihnen in Macon der Boden zu heiß
wurde. Sherman hat Macon nicht eingenommen, aber jeder fürchtet, daß Wilsons
Freischärler bald kommen, und der ist noch schlimmer als Sherman.«
    »Wie dumm
von ihnen, zurückzukehren, wenn keine Häuser da stehen ... wo wohnen sie denn?«
    »Sie
wohnen in Zelten, Baracken und Holzbuden und legen sechs oder sieben Familien
in die paar Häuser, die noch stehen. Sie haben sogar schon mit dem Wiederaufbau
angefangen. Aber, Miß Scarlett, daß sie dumm seien, dürfen Sie nicht sagen. Sie
sind versessen auf ihre Stadt und sind so stolz auf sie wie die Charlestoner
auf Charleston, und es gehört mehr als eine Feuersbrunst und eine Yankeearmee
dazu, sie zu vertreiben.
    Die Leute
von Atlanta sind - Verzeihung, Miß Melly - so störrisch wie Maultiere, wenn es
sich um ihre Stadt handelt. Warum, weiß ich nicht. Ich bin vom Lande und habe
für keine Stadt etwas übrig. Aber, das kann ich Ihnen sagen: die zuerst kommen,
sind am besten dran. Wer zuletzt kommt, findet von seinem Hause keinen Stein
mehr auf dem andern, weil alles in der Stadt als Strandgut betrachtet wird.
Jeder nimmt, was nicht nietund nagelfest ist, und baut es in sein Haus hinein.
Noch vorgestern habe ich Mrs. Merriwether und Miß Maybelle samt ihrer alten
Schwarzen in einer Schiebkarre Backsteine sammeln sehen. Mrs. Meade geht mit
dem Gedanken um, ein Blockhaus zu bauen, sobald der Doktor zurückkommt und ihr
hilft. Sie sagt, als sie zuerst nach Atlanta kam, damals, als es noch
Marthasville hieß, habe sie auch in einem Blockhaus gewohnt. Es mache ihr nicht
das geringste aus, es noch einmal zu tun.«
    »Mut haben
sie«, sagte Melanie stolz. »Findest du nicht auch, Scarlett?«
    Scarlett
nickte. Eine grimmige Freude an ihrer zweiten Heimat erfüllte sie. »Ich bin wie
Atlanta«, dachte sie, »es gehört mehr als eine Feuersbrunst und eine
Yankeearmee dazu, mich unterzukriegen.«
    »Wenn
Tante Pitty nach Atlanta geht, sollten wir auch hingehen und bei ihr wohnen,
Scarlett«, unterbrach Melanie ihren Gedankengang. »Allein stirbt sie vor
Angst.«
    »Wie kann
ich denn hier weggehen, Melly«, sagte Scarlett erzürnt »Wenn du durchaus
willst, so gehe, ich halte dich nicht.«
    »Ach,
Liebling, so habe ich es ja nicht gemeint.« Melanie errötete. »Wie
rücksichtslos von mir! Natürlich kannst du Tara nicht verlassen, und für
Tantchen können Onkel

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