Margaret Mitchell
ihn mit tausend Freuden los gewesen.
Der
Gedanke an eine eigene Besitzung beschäftigte Gerald ununterbrochen. Er ließ
sich deshalb dem Manne vorstellen, und sein Interesse wuchs, als der Fremde
erzählte, wie die Einwanderer nach dem Norden Georgias strömten. Gerald hatte
so lange in Savannah gelebt, daß er die landläufige Auffassung, der ganze
übrige Staat sei Urwald, in dem hinter jedem Busch ein Indianer lauerte,
übernommen hatte. Eine Geschäftsreise im Auftrage seiner Brüder hatte ihn
seinerzeit hundert Meilen den Savannahfluß aufwärts nach Augusta geführt. Dabei
war er so weit ins Innere vorgedrungen, daß er sich die alten Städte westlich
von Augusta ansehen konnte. Er wußte, daß die Gegend dort ebenso dicht
besiedelt war wie die Küste, aber nach der Beschreibung des Fremden lag die
Plantage gut hundertfünfzig Meilen westlich von Savannah im Innern, nur wenige
Meilen südlich vom Chattahoocheefluß. Gerald wußte, daß das Gebiet nördlich des
Flusses noch in den Händen der Cherokesen war. Deshalb verwunderte er sich
höchlichst, daß der Fremde seine Vermutung, es könne dort zu Unzuträglichkeiten
mit den Indianern kommen, auslachte und erzählte, wie dort blühende Städte
emporwuchsen und wie die Plantagen auf dem jungfräulichen Boden gediehen.
Eine
Stunde später, als das Gespräch einzuschlafen drohte, schlug Gerald in einer
Verschlagenheit, die die offene Unschuld seiner blauen Augen Lügen strafte, ein
Spielchen vor. Als es immer später wurde und der Schnaps die Runde machte, kam
der Augenblick, da alle anderen Mitspieler die Karten niederlegten und Gerald
und der Fremde allein weiterspielten. Der Fremde setzte seine gesamten
Spielmarken und dazu die Eigentumsurkunde seiner Plantage. Gerald tat
desgleichen und legte statt des Dokumentes seine Brieftasche obendrauf. Daß der
Inhalt zufällig der Firma Gebrüder O'Hara gehörte, beschwerte sein Gewissen
nicht sonderlich. Morgen früh in der Messe war Zeit genug, es zu beichten. Er
wußte, was er wollte, und wenn Gerald etwas wollte, so verschaffte er es sich
auf dem kürzesten Weg. Außerdem hatte er so viel Vertrauen in sein Schicksal
und das Kartenglück, daß er sich keinen Augenblick überlegte, wie das Geld
zurückgezahlt werden könnte, falls er überspielt werden sollte.
»Sie
machen kein Geschäft damit, und ich bin froh, daß ich keine Steuern mehr dafür
zu zahlen brauche«, seufzte der Verlierer, als er Tinte und Feder bestellte.
»Das Haupthaus ist vor einem Jahr abgebrannt, und auf den Feldern wuchern
Unterholz und Kiefernschößlinge. Aber nun gehört es Ihnen.«
»Mische
nie Karten und Whisky, wenn du nicht mit irischem Whisky entwöhnt worden bist«,
sagte Gerald denselben Abend zu Pork, als dieser ihm ins Bett half, und der
Diener, der aus Bewunderung für seinen Herrn angefangen hatte, sich im irischen
Dialekt zu versuchen, gab die gebührende Antwort in einer Mischung seines
Kauderwelsch mit der Mundart der Grafschaft Meath, die jeden anderen als die
beiden Eingeweihten in starke Verlegenheit gebracht hätte.
Der
schlammige Flintfluß, der lautlos zwischen Mauern von Pechkiefern und mit
wirren Weinranken überwucherten Flußeichen dahinströmte, umarmte gleichsam
Geralds neuen Besitz von beiden Seiten. Als Gerald auf der niedrigen Kuppe
stand, die das Haus getragen hatte, nahm er die hohen, grünen Schranken für
eine ebenso sichtbare und angenehme Bestätigung seines Besitzrechtes über den
Grund und Boden wie einen Zaun, den er mit eigener Hand errichtet hätte. Er
stand auf dem verkohlten Fundament des niedergebrannten Gebäudes, schaute die
lange Allee hinunter, die zur Landstraße führte, und fluchte inbrünstig, da ihm
für ein Dankgebet die Freude zu tief ging. Die beiden Reihen düsterer Bäume
waren sein, sein der verwahrloste Rasen, auf dem unter weißbesternten jungen
Magnolienbäumen das Unkraut bis zur Gürtelhöhe wuchs. Die brachliegenden
Felder, die über und über mit winzigen Kiefern und Unterholz bestanden waren,
dehnten sich wellig in allen vier Himmelsrichtungen aus. Alles das gehörte
Gerald O'Hara, weil sein Irenschädel nicht so leicht zu benebeln war und weil
er den Mut hatte, alles auf eine Karte zu setzen.
Gerald
schloß die Augen, und in der Stille all der unbearbeiteten Morgen Landes hatte
er das Gefühl, er sei nun nach Hause gekommen. Das Wohnhaus, aus weißverputzten
Backsteinen, sollte sich hier erheben, wo er stand. Jenseits der Straße sollten
Lattenzäune fettes Vieh und
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