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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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bestimmt und
doch mitfühlend, während sie auf den Zehenspitzen durch die Halle eilte: »St,
nicht so laut. Ihr weckt Mr. O'Hara. So krank sind sie nicht, daß sie daran
sterben müßten.«
    Ach ja, es
tat so gut, wieder ins Bett zu kriechen und zu wissen, daß Ellen in der Nacht
unterwegs und alles in Ordnung war.
    Wenn Ellen
die ganze Nacht bei Geburt und Tod aufgesessen hatte, weil sowohl der alte wie
der junge Dr. Fontaine bei Patienten über Land waren und ihr nicht zu Hilfe
kommen konnten, saß sie morgens wie gewöhnlich am Frühstückstisch. Die dunklen
Augen hatten Schatten vor Müdigkeit, aber weder der Stimme noch dem Benehmen
war eine Spur von Anstrengung anzumerken. Etwas Stählernes verbarg sich hinter
ihrer verhaltenen Sanftmut, vor dem das ganze Haus eine scheue Achtung hatte,
Gerald nicht minder als die Mädchen, obwohl er lieber gestorben wäre, als es
zuzugeben.
    Wenn
Scarlett sich manchmal abends auf die Zehenspitzen stellte, um der
hochgewachsenen Mutter die Wange zu küssen, sah sie hinauf zu dem Munde mit der
zu kurzen, allzu zarten Oberlippe, der viel zu empfindsam war für die rauhe
Welt, und sie dachte, ob er sich wohl je zu mädchenhaftem Kichern gekräuselt
und nächtelang einer Freundin Geheimnisse zugeflüstert hätte. Nein, das war
nicht möglich. Mutter war immer genau so gewesen wie jetzt, eine Säule der
Kraft, eine Quelle der Weisheit, der einzige Mensch, der auf alles eine Antwort
wußte.
    Aber
Scarlett irrte sich. Vor Jahren hatte Ellen Robillard in Savannah genauso
ausgelassen gekichert wie jede Fünfzehnjährige in der reizenden Küstenstadt,
hatte mit Freundinnen die ganze Nacht hindurch getuschelt und Vertraulichkeiten
ausgetauscht und jedes Geheimnis, bis auf eines, offenbart. Das war das Jahr
gewesen, da Gerald O'Hara, achtundzwanzig Jahre älter als sie, in ihr Leben
trat - das gleiche Jahr, da die Jugend und ihr schwarzäugiger Vetter Philippe
Robillard daraus verschwanden. Als Philippe mit den kecken Augen und dem wilden
Wesen Savannah für immer verließ, nahm er allen Glanz aus Ellens Herzen mit und
ließ dem säbelbeinigen kleinen Iren, der sie heiratete, nur die freundliche
Schale zurück.
    Aber für
Gerald genügte sie. Er war ganz überwältigt von dem unvorstellbaren Glück, sie
wirklich heiraten zu dürfen. War etwas an ihr dahin, er vermißte es nicht. Als
gescheiter Mann wußte er, daß es für ihn, einen Iren aus unbekannter Familie
und ohne Geld, so etwas wie ein Wunder war, die Tochter einer der reichsten,
stolzesten Familien der Küste für sich zu erobern. Denn Gerald war ein
Selfmademan.
    Mit
einundzwanzig Jahren war er aus Irland nach Amerika gekommen. Überstürzt, wie
mancher bessere und mancher schlimmere Ire vor und nach ihm, mit der Kleidung,
die er gerade auf dem Leibe trug, zwei Schilling außer seiner Passage in der
Tasche und einem Preis auf seinem Kopf, der nach seinem Dafürhalten höher war,
als seine Missetat es verdiente. Diesseits der Hölle gab es keinen Anhänger der
Oranier, der der britischen Regierung, ja dem Teufel selber, hundert Pfund wen
gewesen wäre. Aber nahm sich die Regierung den Tod des Rentmeisters eines nicht
einmal auf seinem irischen Gut residierenden englischen Großgrundbesitzers so
zu Herzen, da war es für Gerald O'Hara höchste Zeit, abzureisen. Freilich hatte
er den Rentmeister einen »Oranierbastard« genannt, aber das gab dem Mann noch
lange nicht das Recht, die Anfangsstrophen vom »Boynefluß« vor sich hin zu
pfeifen, um ihn zu verhöhnen.
    Es war
schon länger als hundert Jahre her, daß die Schlacht am Boynefluß geschlagen
worden war. Für die O'Haras und ihre Freunde aber war es wie gestern, daß ihre
Hoffnungen und Träume mitsamt ihrem Landbesitz und ihrem Vermögen in derselben
Staubwolke aufflogen, die die Flucht eines verängstigten Stuartprinzen
verhüllte und Wilhelm von Oranien und seinen verhaßten Truppen die irischen
Anhänger der Stuarts zum Niedermachen zurückließ.
    Aus diesen
und anderen Gründen sah Geralds Familie den tödlichen Ausgang seines Streites
nicht als tragisch an, es sei denn wegen der ernsten Folgen, die er unfehlbar
haben mußte. Seit Jahren standen die O'Haras bei der englischen Polizei in dem
Verdacht der Wühlarbeit gegen die Krone, und Gerald war nicht der erste O'Hara,
der die Beine unter die Arme nehmen und Irland zwischen Tau und Tag verlassen
mußte. Seiner beiden älteren Brüder James und Andrew erinnerte er sich nur
dunkel als schweigsamer junger Männer, die zu

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