Margaret Mitchell
nun auch noch Schufte auf
uns loslassen?«
Der Krieg
war aus, der Friede geschlossen, aber die Yankees konnten sie immer noch
ausrauben, aushungern und aus dem Hause jagen. Ein paar mühselige Monate lang
hatte sie in ihrer Gutgläubigkeit gedacht, wenn sie nur bis zum Frühling
aushielten, sei alles gut. Diese niederschmetternde Nachricht nach einem Jahr
der zermürbendsten Arbeit und der immer wieder betrogenen und aufgeschobenen Hoffnungen
schlug dem Faß den Boden aus.
»Ach,
Will, ich hatte gedacht, alle Mühsal sei vorüber, wenn nur der Krieg zu Ende
wäre!«
»Nein, Miß
Scarlett.« Will hob das eingefallene bäuerliche Gesicht und sah sie lange und
unverwandt an. »Unsere Mühsal beginnt erst.«
»Wieviel
Zuschlag sollen wir denn bezahlen?«
»Dreihundert
Dollar.«
Einen
Augenblick brachte sie kein Wort hervor. Ebensogut hätten es drei Millionen
Dollar sein können.
»Ja ...«,
stotterte sie, »ja ... dann müssen wir wohl irgendwie dreihundert Dollar
aufbringen.«
»Ja, Miß
Scarlett, und dazu einen Regenbogen und ein oder zwei Monde.«
»Ja, aber
Will! Sie können doch Tara nicht unter den Hammer bringen ... «
Seine
gutmütigen blauen Augen enthielten mehr Haß und Bitterkeit, als sie ihnen
zugetraut hatte. »Nicht? Sie können es, sie tun es, und sie tun es sogar gern!
Miß Scarlett, unser Land ist schnurstracks zur Hölle gefahren. Die Schieber und
Lumpen dürfen stimmen und die meisten von uns Demokraten nicht. In diesem Staat
hat kein Demokrat das Stimmrecht, wenn er im Jahre 65 mit mehr als zweitausend
Dollar zu Buch gestanden hat. Damit fallen Leute wie Ihr Pa, Mr. Tarleton,
McRaes und Fontaines einfach aus. Niemand hat Stimmrecht, der im Krieg Oberst
oder etwas Höheres war, und ich möchte wetten, Miß Scarlett, gerade aus Georgia
haben es mehr bis zum Oberst gebracht als aus irgendeinem anderen
konföderierten Staat Und niemand hat Stimmrecht, der unter der konföderierten
Regierung Beamter war; damit fallen wieder alle vom Notar bis zum Richter aus,
und die Wälder stecken voll von solchen Leuten. So wie die Yankees den Treueid
abgefaßt haben, kann überhaupt niemand, der vor dem Krieg etwas war, heute
stimmen, die Tüchtigen nicht, die Vornehmen nicht, die Reichen nicht. - Hah!
Ich könnte stimmen, wenn ich ihren verfluchten Eid leisten würde. Ich hatte 65
kein Geld, und ganz gewiß war ich kein Oberst oder sonst etwas von Bedeutung,
aber ich leiste den Eid nicht, darauf können die Kerls sich verlassen. Hätten
die Yankees anders und gerecht gehandelt, dann hätte ich den Treueid
geschworen, aber so nicht. Man kann mich der Union einverleiben, aber ein
Yankee werde ich nicht. Ich leiste den Eid nicht, und wenn ich nie wieder
stimmen sollte. Aber solche Schufte wie Jonas Wilkerson und Hilton und solch
Bettelpack wie die Slatterys und MacIntoshs, die können stimmen, die sitzen
jetzt an den leitenden Stellen. Und wenn sie jemanden ein dutzendmal für neue
Steuern belangen wollen, so können sie es. Und ein Neger kann einen weißen Mann
umbringen, ohne dafür gehenkt zu werden, und er kann eine weiße Frau ... « Er
hielt betroffen inne, und beide dachten an das Schicksal einer einsamen weißen
Frau auf einer abgelegenen Farm bei Lovejoy. »Alles können die Nigger uns
antun, und die Freilassungsbehörde und die Soldaten stehen mit ihren Gewehren
hinter ihnen, und wir können nicht einmal stimmen.«
»Stimmen!«
fuhr sie auf, »stimmen! Was in aller Welt hat das Stimmen damit zu tun, Will?
Wir reden doch von Steuern. Will, jeder weiß doch, was für eine gute Plantage
Tara ist. Wenn es sein muß, könnten wir eine Hypothek aufnehmen, die für die
Steuern hinreicht.«
»Miß
Scarlett, Sie sind nicht dumm, aber manchmal reden Sie, als seien Sie es doch.
Wer hat denn Geld, um uns etwas auf unseren Grundbesitz zu leihen? Wer außer
den Schiebern, die uns Tara gerade wegnehmen wollen? Und Land hat jeder mehr
als genug. Land können Sie nicht einmal verschenken!«
»Ich habe
doch die Diamantohrringe, die ich dem Marodeur abgenommen habe, die könnte ich
doch verkaufen.«
»Wer hat
denn Geld für Ohrringe? Die Leute haben nicht einmal genug, um Fleisch zu
kaufen. Wenn Sie zehn Golddollar haben, so möchte ich schwören, besitzen Sie
mehr als die meisten anderen.«
Sie
schwiegen wieder, und Scarlett hatte das Gefühl, als renne sie, wie schon so
oft in diesem Jahr, mit dem Kopf gegen eine Steinwand.
»Was
sollen wir tun, Miß Scarlett?«
»Ich weiß
es nicht«, sagte sie stumpf. Es
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