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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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erwiderte nichts, aber als er sie vor Kälte zittern
sah, nahm er seinen Rock und legte ihn ihr über die Schultern.
    »Nun«,
sagte sie endlich, »meinst du nicht auch, wir müssen das Geld auftreiben?«
    »Ja, aber
wo?«
    »Das frage
ich dich«, antwortete sie ärgerlich. Das Gefühl der Erleichterung, mit dem sie
ihm ihre Last zugeschoben hatte, verlor sich. Auch wenn er nicht helfen konnte,
warum sagte er nicht etwas Tröstliches, und sei es auch nur die Redensart:
»Ach, wie tut es mir leid!«
    Er
lächelte.
    »In all
den Monaten, seitdem ich wieder hier bin, habe ich nur von einem einzigen
Menschen gehört, der wirklich Geld hat«, sagte er. »Das ist Rhett Butler.«
    Tante
Pitty hatte vorige Woche an Melanie geschrieben, Rhett sei mit einem Wagen und
zwei schönen Pferden, die Taschen voller Unionscheine, wieder in Atlanta
aufgetaucht. Sie hatte dabei durchblicken lassen, er sei nicht auf ehrliche
Weise zu seinem Reichtum gelangt. Tante Pitty hatte sich die in Atlanta
allgemein umgehende Legende zu eigen gemacht, nach der es Rhett gelungen sei,
sich die sagenhaften Millionen des konföderierten Staatsschatzes anzueignen.
    »Wir
wollen nicht von ihm sprechen«, sagte Scarlett kurz. »Wenn es je einen Schuft
gegeben hat, so ist er einer. Was soll aus uns allen werden?«
    Ashley
setzte die Axt nieder und blickte weg, und seine Augen schweiften in ein
fernes, fernes Land, wohin sie ihm nicht folgen konnte.
    »Ich frage
mich«, sagte er, »nicht nur, was aus uns in Tara werden soll, sondern aus uns
allen im Süden.«
    Sie
verspürte die Lust, ihn anzufahren: »Zum Teufel mit dem ganzen Süden - was wird
aus uns?« Aber sie schwieg still, weil die Müdigkeit sie stärker als je
übermannte. Ashley war ihr keine Hilfe.
    »Schließlich
wird mit uns geschehen«, fuhr er fort, »was immer geschieht, wenn eine Kultur
zerbricht. Wer Mut und Verstand hat, kommt durch, die anderen werden als Spreu
vom Weizen gesondert. Immerhin ist es interessant, wenn auch nicht gerade
behaglich, bei einer Götterdämmerung dabeizusein.«
    »Bei was?«
    »Bei einer
Götterdämmerung. Leider haben wir in den Südstaaten uns immer für Götter
gehalten.«
    »Zum
Teufel, Ashley Wilkes! Steh nicht da und rede Unsinn, während man uns zu Tode
trampelt.«
    Etwas von
ihrer Verzweiflung wurde ihm wohl spürbar und rief seinen Geist von seiner
Wanderung zurück. Zärtlich hob er ihre beiden Hände, drehte ihre Flächen nach
oben und betrachtete die Schwielen. »Das sind die schönsten Hände, die ich
kenne«, sagte er und streifte jede mit einem leichten Kuß. »Schön, weil sie
stark sind. Jede Schwiele ist eine Ehrung, Scarlett, jede Blase eine Belohnung
für Tapferkeit und Opfermut. Für uns alle sind sie rauh geworden, für deinen
Vater, die Mädchen, Melanie, das Kind, die Neger und für mich. Liebes Kind, ich
weiß, was du denkst: Hier steht ein weltfremder Tropf und faselt von Göttern,
wenn lebende Menschen in Gefahr sind. Habe ich nicht recht?«
    Sie nickte
und sehnte sich danach, er möge ihre Hände ewig festhalten, aber er ließ sie
los.
    »Und du
kommst zu mir, damit ich dir helfe. Nun, ich kann dir nicht helfen.«
    Seine Augen
hatten einen bitteren Ausdruck, als er sie auf die Axt und den Holzhaufen
richtete. »Mein Heim und all mein Vermögen ist dahin, und es war mir doch so
selbstverständlich, daß ich es nicht einmal bemerkte, als ich es besaß. In
dieser Welt tauge ich zu nichts, und die Welt, in die ich gehöre, steht nicht
mehr. Ich kann dir nicht anders helfen, Scarlett, als daß ich lerne, ein
unbeholfener Farmer zu werden und zum bösen Spiel eine möglichst gute Miene zu
machen. Aber dadurch kann ich dir Tara nicht erhalten. Glaubst du, ich empfinde
nicht, wie bitter es ist, hier von deiner Barmherzigkeit zu leben - o ja,
Scarlett, von deiner Barmherzigkeit. Nie werde ich es dir vergelten können, was
du für mich und die Meinen getan hast, das spüre ich jeden Tag schmerzlicher.
Und jeden Tag sehe ich klarer, wie gänzlich unfähig ich bin, es mit unserem
Schicksal aufzunehmen und den neuen Wirklichkeiten ins Angesicht zu sehen.
Verstehst du, was ich meine?«
    Sie
nickte. Ganz klar war es ihr nicht, aber sie hing atemlos an seinen Blicken.
Zum erstenmal hatte er zu ihr von dem gesprochen, was er dachte, wenn er in
einer anderen Welt zu weilen schien. Es war so aufregend für sie, als stünde
sie vor einer Entdeckung.
    »Ich
scheue mich vor der nackten Wirklichkeit. - Es ist wie ein Fluch. Vor dem
Kriege war mir das Leben

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