Margaret Mitchell
war ihr plötzlich einerlei. Dies letzte wurde
ihr zuviel, und sie war so müde, daß sie es bis in die Knochen verspürte. Wozu
sollte sie arbeiten, sich abmühen und sich aufreiben? Am Ende eines jeden
Kampfes wartete die Niederlage und spottete ihrer. »Ich weiß es nicht«,
wiederholte sie. »Aber lassen Sie Pa nichts davon wissen. Haben Sie irgend
jemandem sonst davon erzählt?«
»Nein, ich
bin gleich zu Ihnen gekommen.«
Ja, jeder
kam mit seinen schlechten Nachrichten gleich zu ihr. Sie hatte es satt.
»Wo ist
Mr. Wilkes? Vielleicht weiß er Rat?«
Will
wandte ihr seinen milden Blick zu, und sie hatte wie am ersten Tage bei Ashleys
Heimkehr das Gefühl, er wisse alles.
»Er ist im
Obstgarten und spaltet Holz. Ich hörte seine Axt, als ich das Pferd einstellte.
Aber er hat auch nicht mehr Geld als wir.«
»Wenn ich
mit ihm darüber reden möchte, so darf ich das doch, nicht wahr?« fuhr sie ihm
über den Mund, stand auf und schleuderte die alte Decke von ihren Füßen.
Will nahm
es ihr nicht übel. Er rieb sich weiter die Hände über dem Feuer. »Sie sollten
lieber Ihren Schal umtun, Miß Scarlett, es ist frisch draußen.«
Aber sie
ging ohne Schal hinaus. Er lag oben, und ihr Bedürfnis, Ashley ihren Kummer
mitzuteilen, war allzu dringend. Welch ein Glück wäre es, wenn sie ihn allein
anträfe! Noch nicht ein einziges Mal seit seiner Rückkehr hatte sie ein
vertrautes Wort mit ihm sprechen können. Immer umdrängte ihn die Familie, immer
war Melanie an seiner Seite und strich ihm über den Arm, um seiner leibhaftigen
Gegenwart ganz gewiß zu sein. Diese Gebärde glücklichen Eigentumsgefühls hatte
in Scarlett die ganze Bitterkeit der Eifersucht wieder aufgeweckt, die in den
Monaten, da sie Ashley tot geglaubt hatte, eingeschlummert war. Jetzt war sie
entschlossen, ihn allein zu sehen. Dieses Mal sollte niemand sie daran hindern,
unter vier Augen mit ihm zu sprechen.
Unter den
kahlen Ästen hindurch ging sie in den Obstgarten. Das Unkraut unter den Bäumen
benetzte ihr die Füße, und sie hörte am Klang der Axt, wie Ashley die Blöcke,
die aus dem Waldsumpf hereingeschafft waren, zu Latten spaltete. Die Zäune
wieder aufzurichten, die die Yankees verbrannt hatten, war eine lange, harte
Arbeit - wie alles, dachte sie müde, und sie war all dessen überdrüssig, müde
und satt. Wäre nur Ashley ihr Mann und nicht Melanies! Wie süß wäre es, zu ihm
zu gehen, ihm weinend den Kopf an die Schulter zu legen und ihre Last auf ihn
abzuwälzen, damit er sie trüge!
Sie ging
um ein Dickicht von Granatapfelbäumen herum, deren kahle Äste im kalten Winde
schwankten. Da stand er, auf seine Axt gelehnt, und wischte sich mit dem
Handrücken die Stirn. Er trug die Überreste seiner braungefärbten Uniformhose
und ein Hemd von Gerald, das in besseren Zeiten zu Gerichtstagen und
Gesellschaften getragen worden war, ein gefälteltes Hemd, das seinem jetzigen
Eigentümer viel zu kurz war. Den Rock hatte er an einen Zweig gehängt, denn ihm
war bei der Arbeit warm geworden. Er schöpfte gerade Atem, während sie auf ihn
zukam.
Als sie
ihn so in Lumpen mit der Axt in der Hand stehen sah, wallte ihr das Herz auf
vor Liebe und vor Zorn gegen das Schicksal. Es war unerträglich, ihren
eleganten, tadellosen Ashley in zerlumpter Kleidung bei solcher Arbeit zu
sehen. Seine Hände waren nicht dafür geschaffen. Sein Körper sollte nur Tuch
und feines Leinen tragen. Gott hatte ihn dazu bestimmt, in einem großen Hause
zu sitzen und sich mit liebenswürdigen Menschen zu unterhalten, Klavier zu
spielen und Dinge zu schreiben, die herrlich klangen und nicht den geringsten
Sinn hatten. Den Anblick ihres eigenen Kindes in Schürzen aus Sacktuch und der
Schwestern in schmutzigen alten Baumwollstoffen konnte sie ertragen und auch,
daß Will schwerer arbeitete als irgendein Ackerknecht. Aber Ashley war für all
das nicht geschaffen, und sie hatte ihn zu namenlos Heb. Sie wollte eher selbst
Holz spalten als zusehen, wie er es tat.
»Es heißt,
Abe Lincoln habe damit angefangen, Holz zu spalten«, sagte er, als sie sich
näherte. »Stell dir nur vor, welche Höhen ich noch erklimmen kann.«
Sie
runzelte die Stirn. Immer sprach er über alle Mühseligkeiten, die für sie
tödlicher Ernst waren, mit scherzender Leichtigkeit. Oft machten seine
Bemerkungen sie ungeduldig. Ohne weiteres erzählte sie ihm kurz und bündig
Wills Nachricht und fühlte sich schon beim Sprechen erleichtert. Sicher würde
er einen Ausweg finden. Er
Weitere Kostenlose Bücher