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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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ihrer Schuhe waren mit alten
Teppichstücken ausgebessert. Diese Flicken schützten ihren Fuß notdürftig vor
dem nackten Boden, aber warm hielten sie nicht. Am Morgen hatte Will das Pferd
nach Jonesboro gebracht, um es beschlagen zu lassen. Scarlett dachte voller
Bitterkeit, es sei doch eine sehr verfahrene Welt, in der die Pferde beschlagen
wurden und die Menschen barfuß herumlaufen mußten wie die Hofhunde.
    Sie nahm
die Feder wieder zur Hand, um weiterzuschreiben, legte sie aber von neuem hin,
als sie Will durch die Hintertür hereinkommen hörte. Sein Holzbein klappte
regelmäßig auf den Flur vor dem Schreibzimmer, dann blieb er stehen. Einen
Augenblick wartete sie, daß er hereinkäme, dann rief sie ihn. Mit rotgefrorenen
Ohren und zerzaustem Haar kam er herein, stand da und schaute auf sie
hernieder, ein eigenartiges Lächeln um die Lippen.
    »Miß
Scarlett«, sagte er, »wieviel bares Geld haben Sie?«
    »Sind Sie
vielleicht darauf aus, mich meines Geldes wegen zu heiraten, Will?« fragte sie.
    »Nein, Miß
Scarlett, ich wollte es nur wissen.«
    Sie sah
ihn fragend an. Ernst sah Will nicht aus, aber das tat er nie. Immerhin hatte
sie das Gefühl, etwas sei nicht in Ordnung,
    »Ich habe
zehn Golddollar«, sagte sie, »das ist der Rest vom Gelde des Yankee.«
    »Das reicht nicht.«
    »Wofür?«
    »Für die
Steuern«, antwortete er und bumste mit seinem Holzbein zum Kamin hinüber,
beugte sich vor und hielt die roten Hände an die Glut.
    »Steuern?«
wiederholte sie. »Gott im Himmel, Will, wir haben doch die Steuern schon
bezahlt.«
    »Ja, aber
sie behaupten, es seien noch nicht genug bezahlt. Ich habe heute in Jonesboro
davon gehört.«
    »Aber
Will, das verstehe ich nicht. Was meinen Sie damit?«
    »Miß
Scarlett, es ist mir gräßlich, Ihnen schon wieder mit etwas Unangenehmem kommen
zu müssen, wo Sie doch schon reichlich genug Sorgen haben. Aber es heißt, Sie
müßten noch eine Menge Steuern mehr zahlen, als Sie schon gezahlt haben. Die
Schätzung von Tara wird da gewaltig in die Höhe getrieben, mehr als irgendeine
andere in der Provinz, möchte ich wetten!«
    »Aber sie
können uns doch nicht dazu zwingen, noch mehr Steuern zu zahlen, wenn wir sie
schon einmal bezahlt haben!«
    »Miß
Scarlett, Sie kommen nicht oft nach Jonesboro, und das ist gut so, denn
heutzutage ist es da nicht schön für eine Dame. Wenn Sie aber öfter dagewesen
wären, wüßten Sie, was für ein gemeines Gesindel von Republikanern,
Gesinnungslumpen und Schiebern dort neuerdings alles in der Hand hat. Man
könnte platzen vor Wut, und die Neger stoßen die Weißen vom Fußweg herunter und
... «
    »Aber was
hat das mit den Steuern zu tun?«
    »Dazu
komme ich jetzt, Miß Scarlett. Aus irgendeinem Grund haben die Schufte die
Steuern für Tara so hoch angesetzt, als wäre es eine Plantage, die tausend
Ballen Baumwolle bringt. Als ich davon Wind bekam, bin ich in den Kneipen
herumgeschlichen und habe mir angehört, was die Leute redeten, und da habe ich
herausbekommen, daß jemand bei der Zwangsversteigerung Tara billig kaufen will,
wenn Sie den Steuerzuschlag nicht bezahlen, und daß Sie das nicht können, ist
ziemlich allgemein bekannt. Ich weiß noch nicht, wer es kaufen will, aber mir
scheint, der feige Lump, der Hilton, der Miß Cathleen geheiratet hat, muß es
wissen, weil er so gemein lachte, als ich ihn aushorchen wollte.«
    Will ließ
sich auf das Sofa nieder und rieb sich den Beinstumpf. Er tat ihm bei kaltem
Wetter weh, und das Holzbein saß unbequem und war schlecht gepolstert. Ganz
außer sich hörte Scarlett ihn an. Er sagte das so obenhin und läutete damit
doch für Tara die Totenglocke. Zwangsversteigerung? Tara sollte jemand anderem
gehören? Das war ja nicht auszudenken!
    Sie war
von der Aufgabe, Tara wieder hochzubringen, so in Anspruch genommen, daß sie
kaum darauf geachtet hatte, was draußen in der Welt vorging. Seitdem Will und
Ashley ihr alle Geschäfte in Jonesboro und Fayetteville abnehmen konnten,
verließ sie die Plantage nur noch selten, und wie sie vor Kriegsausbruch kaum
Ohren für die Kriegsgespräche der Männer gehabt hatte, so hörte sie auch jetzt
nicht zu, wenn Will und Ashley sich bei Tisch über die Anfänge des
Wiederaufbaues unterhielten. Natürlich wußte sie, was man unter
Gesinnungslumpen verstand: Leute aus den Südstaaten, die sehr zu ihrem Vorteil
Republikaner geworden waren - und was unter Schiebern: die Yankees, die nach
der Kapitulation raubgierig nach dem Süden kamen, all ihr

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