Margaret Mitchell
Oder trieb
ihn doch etwas anderes zu ihr? Wer konnte es wissen? Bei ihm war das
Wunderlichste möglich.
»Nein«,
sagte sie. »Der Wolf steht nicht mehr vor der Tür. Ich habe das Geld bekommen.«
»Aber
nicht kampflos, möchte ich wetten. Hast du es fertiggebracht, dich zu
beherrschen, bis du den Trauring am Finger hattest?«
Sie
versuchte, ihr Lächeln zu unterdrücken, als sie ihr Verhalten so richtig beim
Namen genannt hörte, aber wider Willen kamen ihr die Grübchen. Er setzte sich
wieder und streckte behaglich die langen Beine von sich.
»Also,
erzähle mir etwas von deiner Armut. Hat Frank Kennedy, der Narr, dich über
seine geschäftlichen Aussichten getäuscht? Er sollte gründlich verdroschen werden
dafür, daß er eine hilflose Frau hinters Licht geführt hat. Komm, Scarlett, sag
mir alles. Du solltest vor mir keine Geheimnisse haben. Das Ärgste über dich
weiß ich ja.«
»Ach,
Rhett, Sie sind der ärgste ... ich weiß nicht, was. Nein, beschwindelt hat er
mich nicht eigentlich, aber ... « Plötzlich wurde ihr zum Genuß, sich die Last
von der Seele zu reden. »Rhett, wenn Frank nur eintreiben wollte, was die Leute
ihm schuldig sind, hätte ich keine Sorgen mehr. Fünfzig Kunden haben Schulden
bei ihm. Er will sie nicht drängen.
Er
behauptet, unter Gentlemen könnte man das nicht tun. Es kann Monate dauern, bis
wir das Geld bekommen, und vielleicht bekommen wir es nie.«
»Und was
schadet das? Habt ihr unterdessen nicht genug zum Leben?«
»Doch,
aber ... nun, ich könnte gerade jetzt ein bißchen Geld gut gebrauchen.« Sie
lebte auf, als sie an die Sägemühle dachte. Vielleicht ... ?
»Wozu?
Noch mehr Steuern?«
»Geht Sie
das eigentlich etwas an?«
»Allerdings,
denn du machst alle Anstalten, mich um ein Darlehen anzugehen. Oh, ich kenne
sie alle, diese Vorbereitungen. Und ich will Ihnen sogar etwas leihen, sogar,
meine liebe Mrs. Kennedy, ohne die reizende Bürgschaft, die Sie mir kürzlich
anboten. Freilich - sollten Sie darauf bestehen, dann selbstverständlich.«
»Sie sind
der gemeinste ... «
»Durchaus
nicht, ich möchte Ihnen alle Befangenheit nehmen. Ich weiß, der Punkt macht
Ihnen doch Kopfzerbrechen. Nicht viel, aber ein bißchen. Ich will dir gern das
Geld leihen, nur möchte ich gern wissen, wofür du es ausgibst, und das Recht
habe ich doch, meine ich. Wenn du dir hübsche Kleider oder einen Wagen kaufen
willst, nimm es und meinen Segen dazu. Aber wenn es für ein Paar neue Hosen für
Ashley Wilkes bestimmt ist, dann, fürchte ich, kann ich es dir nicht geben.«
Sie
erglühte vor Zorn und stotterte, bis sie endlich Worte fand.
»Ashley
Wilkes hat nie einen Cent von mir angenommen! Ich könnte ihm nicht einen Cent
aufdrängen, und wenn er verhungern müßte! Sie verstehen ihn nicht, Sie werden
nie begreifen, wie ehrenhaft und stolz er ist. Sie können ihn ja auch nicht
verstehen, weil Sie ...«
»Nicht
schimpfen! Sonst zahle ich dir mit gleicher Münze heim. Du vergißt, daß Miß
Pitty mich über dich auf dem laufenden gehalten hat, und die gute Seele sagt
jedem mitfühlenden Zuhörer alles, was sie weiß. Ashley Wilkes ist die ganze
Zeit seit seiner Heimkehr auf Tara gewesen. Ich weiß auch, daß du dich sogar
darein gefunden hast, seine Frau um dich zu haben, was dir recht sauer geworden
sein mag. Gewiß ...«, er unterbrach sich mit einer lässigen Handbewegung,
»Ashley steht zu hoch für mein irdisches Fassungsvermögen. Ich weiß. Aber
vergiß, daß ich deine zärtliche Szene mit ihm auf Twelve Oaks sehr interessiert
angehört habe, und mir schwant, keiner von euch hat sich seither verändert.
Damals machte er keine besonders überirdische Figur, wenn ich mich recht
erinnere, und eine viel bessere wird er auch jetzt nicht machen. Warum geht er
nicht mit seiner Familie fort und sucht sich Arbeit? Warum bleibt er auf Tara?
Es ist natürlich nur eine Schrulle von mir, aber ich habe nicht die Absicht,
dir einen Cent für Tara zu leihen, um ihn damit zu unterstützen. Unter Männern
gibt es eine sehr unschöne Bezeichnung für jemand, der sich von einer Frau
unterstützen läßt.«
»Wie
können Sie sich unterstehen, so etwas zu sagen! Er hat gearbeitet wie ein
Ackerknecht!« Bei all ihrer Wut wollte ihr das Herz brechen bei dem Gedanken an
das Leben, das Ashley jetzt führte.
»Ja,
Goldes wert wird dir seine Hilfe gewesen sein! Wir wollen ihm zubilligen, daß
er tut, was er kann. Aber ich bin überzeugt, daß ihr nicht viel Nutzen von ihm
habt. Aus einem Wilkes
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