Margaret Mitchell
ich erlebt habe, dann täten Sie es auch. Mir ist aufgegangen, daß
Geld das Wichtigste auf der Welt ist, und Gott ist mein Zeuge, ich habe nicht
die Absicht, je im Leben wieder ohne Geld dazustehen.«
Sie
entsann sich der heißen Sonnenstrahlen, des weichen roten Erdbodens unter ihrem
schwindelnden Kopf, des Negergeruchs aus der Hütte hinter den Ruinen von Twelve
Oaks und des Refrains, zu dem ihr Herz geschlagen hatte: »Nie wieder hungern,
nie wieder hungern!«
»Eines
Tages will ich Geld haben, viel Geld, damit ich alles essen kann, wozu ich Lust
habe. Dann kommen mir weder Maisbrei noch getrocknete Erbsen mehr auf den
Tisch, und ich will etwas Hübsches anzuziehen haben, und alles soll aus Seide
sein ... «
»Alles?«
»Alles«,
wiederholte sie kurz und hielt sich nicht damit auf, über seine Anzüglichkeiten
zu erröten.
»Ich will
so viel Geld haben, daß die Yankees mir niemals Tara nehmen können. Ein neues
Dach soll Tara haben und eine neue Scheune, Maultiere zum Pflügen und so viel
Baumwolle, wie Sie noch nie beieinander gesehen haben. Und Wade soll nie
erfahren, was es heißt, das Notwendigste zu entbehren. Nie! Alles, was er sich
nur wünschen kann, soll er haben. Und meine ganze Familie soll nie wieder
hungern. Das ist mein voller Ernst. Jedes Wort. Sie in Ihrem Eigennutz
verstehen das ja nicht. Sie haben es nie erlebt, daß Schieber Sie vor die Tür
setzen wollten, es hat Sie nie gefroren, Sie sind nie in Lumpen gegangen, nie
haben Sie sich totzuarbeiten brauchen, um nicht zu verhungern!«
Er
erwiderte ruhig: »Ich war acht Monate in der konföderierten Armee. Ich wüßte
nicht, wo man den Hunger besser kennenlernen könnte.«
»Die
Armee, pah! Sie haben nie Baumwolle zu pflücken und Mais zu jäten gehabt. Sie
haben ... lachen Sie mich nicht aus!«
Seine
Hände lagen wieder auf den ihren, als ihr Ton immer härter und lauter wurde.
»Ich habe
dich nicht ausgelacht. Ich lachte nur über den Unterschied zwischen deinem
Aussehen und dem, was du in Wirklichkeit bist. Ich dachte an das erste Mal, da
ich dich auf dem Gartenfest bei Wilkes sah. Du hattest ein grünes Kleid und
feine grüne Schuhe an und warst umringt von lauter Männern. Ganz erfüllt von
dir selbst. Ich wette, damals wußtest du nicht, wieviel Cents ein Dollar hat.
Damals hattest du nur einen Gedanken im Kopf, und das war, wie du Ashley ... «
Mit einem
Ruck zog sie ihm die Hände weg. »Wenn wir uns weiter vertragen wollen, dürfen
Sie kein Wort mehr über Ashley Wilkes sagen. Über ihn geraten wir uns doch nur
in die Haare, weil Sie ihn nicht verstehen.«
»Aber du
verstehst ihn wie ein offenes Buch!« sagte Rhett boshaft. »Nein, Scarlett, wenn
ich dir Geld leihen soll, behalte ich mir das Recht vor, über Ashley Wilkes so
viel zu sprechen, wie es mir paßt. Ich verzichte auf das Recht, Zinsen für mein
Darlehen zu nehmen. Auf dieses Recht aber nicht, denn ich möchte noch manches
über den jungen Mann wissen.«
»Mit Ihnen
habe ich nicht über ihn zu reden«, antwortete sie kurz.
»Doch, das
mußt du! Siehst du, ich habe den Geldbeutel. Eines Tages, wenn du reich bist,
hast du vielleicht die Macht, anderen ein Gleiches zu tun. Es liegt auf der
Hand, daß du ihn gern hast ... «
»Sie irren
sich.«
»Oh, es
geht ganz klar aus dem Ungestüm hervor, mit dem du für ihn eintrittst.«
»Ich dulde
nicht, daß Sie meine Freunde verhöhnen.«
»Nun,
lassen wir das einen Augenblick auf sich beruhen. Hat er dich noch gern, oder hat
er dich in Rock Island vergessen? Am Ende hat er doch inzwischen eingesehen,
was für ein Juwel von Frau er besitzt?«
Als die
Rede auf Melanie kam, konnte Scarlett sich kaum beherrschen, nicht alles
hervorzusprudeln, was sie wußte: daß es nur die Ehre wäre, die Ashley an
Melanie binde. Sie öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, aber schloß ihn
wieder.
»Ach so.
Er ist also immer noch nicht vernünftig genug, Mrs. Wilkes richtig zu würdigen.
Und die Härten der Gefangenschaft haben seine Glut für dich nicht dämpfen
können.«
»Ich sehe
die Notwendigkeit nicht ein, das zu besprechen.«
»Ich
wünsche es aber zu besprechen«, erwiderte Rhett, und in seiner Stimme klang ein
Unterton, den Scarlett sich nicht zu deuten wußte und ungern hörte. »Bei Gott,
ich will darüber sprechen und erwarte, daß du mir antwortest. Er ist also noch
in dich verliebt?«
»Nun, und
wenn!« Scarletts Gereiztheit stieg. »Ich will nicht über ihn sprechen, weil Sie
ihn und seine Art zu lieben, doch nicht
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