Margaret Mitchell
begreifen. Die einzige Liebe, von der
Sie etwas verstehen, ist ... nun, was Sie mit Frauenzimmern wie der Watling
betreiben.«
»Oh«, sagte Rhett leise, »ich bin
also nur fleischlicher Gelüste fähig?«
»Nun, das ist doch wahr.«
»Jetzt
verstehe ich, warum du nicht mit mir darüber sprechen willst. Meine unreinen
Hände und Lippen besudeln die Reinheit seiner Liebe.«
»Ja, so ungefähr.«
»Mich interessiert eine so reine
Liebe.«
»Werden
Sie nicht geschmacklos, Rhett Butler. Wenn Sie so gemein sind zu glauben, daß
je etwas Unrechtes zwischen uns geschehen ist...«
»Oh,
darauf bin ich eigentlich nie gekommen. Aber darum interessiert es mich gerade.
Warum ist denn nie etwas Unrechtes zwischen euch geschehen?«
»Wenn Sie meinen, Ashley könnte
... «
»Ah, also
Ashley hat den Kampf um die Reinheit gekämpft, nicht du. Scarlett, du solltest
dich nicht gar so schnell verraten.«
Verwirrt
und empört schaute Scarlett in sein glattes, undurchdringliches Gesicht.
»Reden wir
nicht weiter darüber. Ich brauche Ihr Geld nicht. Gehen Sie also!«
»Oh, mein
Geld brauchst du doch, und wenn wir nun einmal soweit sind, warum sollen wir
nicht weiterreden. Ein so keusches Idyll zu besprechen, kann doch niemandem
etwas schaden, wenn kein Unrecht geschehen ist. Ashley liebt dich also um
deines Geistes, deiner Seele und deines edlen Charakters willen?«
Scarlett
wand sich unter seinen Worten. Selbstverständlich, deswegen liebte Ashley sie.
Das Bewußtsein machte ihr ja das Leben unerträglich, das Bewußtsein, daß
Ashley, durch die Ehe gebunden, sie aus der Ferne um des Schönen willen liebte,
das tief in ihr verborgen lag und das nur er allein erkannte. Wenn aber Rhett
es ans Licht zerrte, nahm es sich gar nicht so schön aus, besonders nicht in
dem trügerischen glatten Ton, dessen sich sein Sarkasmus bediente.
»Die
Erkenntnis, daß es in dieser bösen Welt noch solche Liebe geben kann, schenkt
mir meine Jünglingsideale wieder«, fuhr er fort. »Seine Liebe zu dir hat also
nichts von Fleischeslust? Sie wäre dieselbe, wenn du häßlich wärest? Wenn du
deine weiße Haut nicht hättest und deine Augen, bei denen ein Mann sich immer
fragen muß, was du wohl tun würdest, wenn er dich in die Arme nähme. Und die
Art, wie du dich in den Hüften wiegst, die jeden berücken muß? Und die Lippen,
die ... aber ich darf meine Fleischeslust nicht überhandnehmen lassen. Das
alles sieht Ashley nicht? Oder sieht er es und bleibt davon unberührt?«
Gegen
ihren Willen dachte Scarlett an den Tag im Obstgarten, da Ashleys Arme sie
packten und schüttelten und sein Mund heiß auf dem ihren lag, als wollte er nie
wieder von ihr lassen. Sie wurde dunkelrot, und Rhett bemerkte es wohl.
In seiner
Stimme bebte es fast vor Zorn. »Ich verstehe, er liebt dich nur um deines
Geistes willen.«
Wie durfte
er mit seinen schmutzigen Fingern in dem einzigen Schönen und Heiligen ihres
Lebens herumstöbern und es erniedrigen! Kalten Blutes zerbrach er ihre
innersten Schranken, und was er wissen wollte, kam ans Licht.
»Freilich,
das tut er!« rief sie laut und drängte den Gedanken an Ashleys Lippen zurück.
»Mein
Kind, er weiß überhaupt gar nicht, daß du einen Geist hast. Liebte er deinen
Geist, so hätte er nicht nötig, sich gegen dich zu wehren, was er doch getan
haben muß, um seine Liebe heilig zu halten, nicht wahr? Er hätte ruhig schlafen
können, denn ein Mann darf getrost Geist und Seele einer Frau lieben und kann
dabei ein ehrenhafter Gentleman bleiben und seiner eigenen Frau die Treue
halten. Aber es muß wohl schwer mit der Wilkesschen Ehre zu vereinbaren sein,
deinen Leib so zu begehren, wie er es tut.«
»Sie
beurteilen alle Menschen nach Ihrer eigenen Niedrigkeit.«
»Oh, ich
habe nie geleugnet, daß ich dich begehre, falls du das damit sagen willst. Aber
gottlob brauche ich mich mit keiner Ehre herumzuschlagen. Was ich haben will,
nehme ich mir, wenn ich es bekommen kann, und ringe weder mit Engeln noch mit
Teufeln. Mußt du aber Ashley eine süße Hölle bereitet haben! Fast kann er mir
leid tun.«
»Ich ...
ich ihm eine Hölle bereitet?«
»Ja, du!
Er hatte dich als beständige Versuchung vor Augen, aber wie die meisten
Menschen seines Schlages zog er das, was unter seinesgleichen für Ehre gilt,
dem kleinsten bißchen Liebe vor. Und nun sieht es mir fast so aus, als hätte
der arme Teufel weder Ehre noch Liebe mehr, um sich daran zu wärmen.«
»Wohl hat
er Liebe, denn er liebt mich.«
»So? Dann
sag
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