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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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seinem Hut im Takt auf das Pferd ein. Es ging wie toll. Er zog die Zügel
nicht an, als er nach oben kam, und wir sahen, daß er wieder über den Zaun
wollte. In Todesangst sprangen wir auf. Er schrie: >Paß auf, Ellen! Jetzt
nehme ich noch diesen.< Aber vor dem Zaun setzte sich das Pferd auf die
Hinterhand und wollte nicht anspringen, und dein Pa stürzte kopfüber nach vorn.
Er hat nicht gelitten. Er war tot, als wir hinkamen. Hat wohl das Genick
gebrochen.«
    Will wartete
einen Augenblick, ob sie noch etwas sagen wollte, als sie aber schwieg, nahm er
die Zügel. »Huh, Sherman«, sagte er, und das Pferd setzte sich wieder in
Bewegung.
     
    40
     
    In dieser
Nacht schlief Scarlett nur wenig. Als die Morgendämmerung anbrach und die Sonne
über den schwarzen Kiefern auf den Hügeln im Osten auftauchte, stand sie aus
ihrem zerwühlten Bett auf, setzte sich auf einen Hocker ans Fenster, legte den
müden Kopf auf die Arme und blickte über die Wirtschaftsgebäude und den
Obstgarten von Tara hinüber auf die Baumwollfelder. Alles war taufrisch, still
und grün, und der Anblick brachte ihrem wunden Herzen etwas Trost und
Linderung. Wie wohlgehegt und wohlgepflegt lag Tara in seinem Frieden da,
obwohl sein Herr tot war. Das niedrige Blockhaus, wo die Hühner hausten, war
gegen Ratten und Wiesel mit Lehm verputzt und sauber geweißt, ebenso das
Stallgebäude. Der Garten war zwischen den Maisreihen und dem gelben Kürbis, den
braunen Bohnen und den Rüben sauber gejätet und mit einem ordentlichen Zaun eingefriedigt.
Der Obstgarten war vom Unterholz befreit, und unter den langen Baumreihen
wuchsen nur Gänseblümchen. Im Sonnenschein leuchteten die Äpfel und der rosa
Flaum der Pfirsiche matt auf. Dahinter schlängelten sich die grünen
Baumwollreihen unter dem stillen goldenen Morgenhimmel. Die Enten und Hühner
watschelten und stolzierten den Feldern zu, unter den Baumwollstauden fanden
sie die köstlichsten Würmer und Larven in der weichen, gepflügten Erde.
    Scarlett
schwoll das Herz vor Liebe und Dankbarkeit gegen Will, der all das vollbracht
hatte. Wenn sie auch Ashley von ganzem Herzen Gerechtigkeit widerfahren lassen
wollte, so konnte sie doch nicht glauben, daß er der Urheber all dieses
Wohlstandes sei. Dies blühende Tara war nicht das Werk eines aristokratischen
Plantagenbesitzers, sondern das eines schwer arbeitenden unermüdlichen
Kleinfarmers, der seine Scholle liebt. Es war jetzt eine
>Zwei-Pferde-Farm<, nicht mehr die herrschaftliche Plantage mit Koppeln
voller Maultiere und schöner Pferde und unabsehbaren Baumwoll- und Maisfeldern.
Aber alles, was angebaut war, stand gut, und die noch brachliegenden Felder
konnten wieder kultiviert werden, wenn die Zeiten besser wurden. Dann würde ihr
ausgeruhter Boden noch reichere Frucht tragen.
    Will hatte
mehr getan als nur ein paar Felder bebaut. Unerbittlich hatte er die beiden
Feinde des georgianischen Pflanzers, den Kiefernsämling und die Brombeere,
bekämpft. Hier hatten sie nicht hinterrücks Garten, Baumwollfeld und Weide
erobert und sich frech bis an die Haustür ausgebreitet wie auf zahllosen
Plantagen im ganzen Staat.
    Scarletts
Herzschlag wollte aussetzen bei dem Gedanken, wie nahe Tara daran gewesen war,
wieder der Wildnis zu verfallen. Will und sie hatten gemeinsam ein gutes Stück
Arbeit geleistet. Die Yankees, die Schieber und die Übergriffe der Natur hatten
sie abgewehrt. Was aber das schönste war, Will hatte ihr gesagt, wenn im Herbst
die Baumwolle hereinkam, brauchte sie kein Geld mehr zu schicken,
vorausgesetzt, daß nicht ein neuer Schieber sein Auge auf Tara warf und die
Steuern abermals schwindelnd in die Höhe trieb. Scarlett konnte beurteilen, wie
schwer Will es ohne ihre Hilfe haben würde, aber sie bewunderte und achtete
seinen Selbständigkeitsdrang. Solange er den Posten einer angestellten
Hilfskraft innehatte, nahm er Geld von ihr entgegen, aber jetzt, als ihr
Schwager und als Hausherr, wollte er auf eigenen Füßen stehen. Ja, Will war ein
Geschenk Gottes.
     
    Am Abend
vorher hatte Pork neben Ellens Grab die neue Grube geschaufelt und stand nun,
mit dem Spaten in der Hand, bei dem feuchten roten Lehm, den er so bald wieder
an seinen Platz werfen sollte. Scarlett stand hinter ihm im Schatten einer
knorrigen Zeder mit niederhängenden Ästen, durch die die heiße Morgensonne
spielte, und bemühte sich, nicht in die Grube vor ihr zu schauen. Jim Tarleton,
der kleine Hugh Munroe, Alex Fontaine und der jüngste Enkel des alten

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