Margaret Mitchell
bekam sie einen zuckersüßen Brief von ihm, worin stand,
daß sie nun bald heiraten wollten, sobald er etwas Geld zurückgelegt hätte. Sie
hat mir den Brief gezeigt«
Scarlett
schwieg. Sie wußte, daß er die Wahrheit sprach, und ihr fiel nichts ein, was
sie dagegen hätte vorbringen können. Sie hatte nicht erwartet, daß gerade Will
über sie zu Gericht sitzen würde. Übrigens hatte die Lüge, mit der sie Frank
gewonnen hatte, ihr Gewissen nie sonderlich bedrückt. Wer seine Verehrer nicht
zu halten verstand, dem geschah es recht, wenn er sie verlor.
»Komm,
Will, sei nicht böse«, sagte sie. »Wenn Suellen ihn geheiratet hätte, meinst
du, sie hätte einen Cent an Tara oder an einen von uns gewendet?«
»Ich habe
ja gesagt, du kannst mächtig anziehend sein, wenn du willst.« Will drehte sich
ihr mit einem stillen Lachen zu. »Nein, ich glaube nicht, daß wir je einen Cent
vom Gelde des guten Frank zu sehen bekommen hätten. Aber deshalb kommst du doch
nicht darum herum, daß es ein schlechter Streich war. Wenn du die Mittel durch
den Zweck heiligen willst, so geht das mich nichts an. Ich habe kein Recht, dir
deswegen Vorwürfe zu machen. Aber, wie dem auch sei, Suellen ist seitdem wie
eine giftige Hornisse. Ich glaube nicht, daß ihr an dem guten Frank allzuviel
lag, aber sie fühlte sich doch schrecklich in ihrer Eitelkeit verletzt und
redete immer davon, wie du nun schöne Kleider hättest und einen Wagen und in
Atlanta lebtest, während sie auf Tara begraben ist. Sie hat doch nun einmal
Besuche, Gesellschaften und schöne Kleider gern. Das weißt du. Ich mache ihr
keinen Vorwurf daraus. Die Frauen sind nun einmal so.
Nun, vor
einem Monat nahm ich sie mit nach Jonesboro. Sie machte Besuche, während ich zu
tun hatte, und als ich sie nach Hause fuhr, war sie zwar mäuschenstill, aber so
aufgeregt, als ob sie platzen wollte. Ich dachte, sie hätte irgendeinen
interessanten Klatsch gehört, und achtete weiter nicht darauf. Zu Hause lief
sie eine Woche lang mit geschwollenem Kamm herum und war sehr aufgeregt, redete
aber nicht viel. Sie ging hinüber nach Pine Bloom und besuchte Miß Cathleen
Calvert. Ach, Scarlett, du weinst dir über Miß Cathleen noch die Augen aus. Das
arme Mädchen wäre auch besser tot als mit dem kümmerlichen Yankee, dem Hilton,
verheiratet. Weißt du, daß er die Plantage hoch belastet hatte und aufgeben
mußte und daß sie nun von dort fort müssen?«
»Nein, das
wußte ich nicht und will es auch nicht wissen. Ich will über Pa hören.«
»Dazu
komme ich jetzt«, sagte Will geduldig. »Als sie von dort zurückkam, meinte sie,
wir alle hätten Hilton verkannt. Sie nannte ihn Mr. Hilton und sagte, er sei
ein tüchtiger Mann, und wir haben sie ausgelacht. Dann fing sie plötzlich an,
nachmittags immer mit deinem Pa spazierenzugehen, und oft, wenn ich vom Felde
heimkam, sah ich sie auf der Friedhofsmauer mit ihm sitzen und heftig auf ihn
einreden und mit den Händen fuchteln. Dann sah der alte Herr sie immer ein bißchen
ratlos an und schüttelte den Kopf. Du weißt ja, wie er war, und er wurde immer
verstörter und wußte kaum noch, wo er war und wer wir waren. Einmal sah ich sie
auf das Grab deiner Mutter zeigen, und er fing an zu weinen. Und als sie einmal
ganz aufgeregt und ganz glücklich nach Hause kam, habe ich eine Unterredung mit
ihr gehabt, aber eine scharfe, das kann ich dir sagen. >Miß Suellen<,
habe ich gesagt, >warum in drei Teufels Namen quälen Sie Ihren armen Pa und
erinnern ihn an Ihre arme Ma? Meistens ist ihm gar nicht klar, daß sie tot ist,
und nun kommen Sie und reiben es ihm unter die Nase.< Aber sie warf nur den
Kopf zurück und lachte: >Kümmem Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten.
Sie werden sich eines Tages noch alle freuen.< Miß Melanie hat mir gestern
abend erzählt, daß Suellen ihr von ihren Plänen gesprochen hat, sie habe aber
keine Ahnung gehabt, daß es Suellen Ernst damit war. Sie sagte, sie habe nicht
darüber gesprochen, weil sie den bloßen Gedanken so unerhört fand.«
»Welchen
Gedanken? Kommst du denn nie zur Sache? Wir sind schon halbwegs zu Hause, und
ich will von Pa hören.«
»Das
versuche ich dir ja auch zu erzählen«, erwiderte Will. »Und weil wir schon fast
zu Hause sind, halte ich wohl besser hier an, bis ich fertig bin.«
Er zog die
Zügel an und ließ das schnaufende Pferd halten. Sie standen an der jetzt wild
ins Kraut geschossenen Jasminhecke, die den Besitz der Familie Macintosh
bezeichnete. Wenn Scarlett unter den
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