Margaret Mitchell
viel Wesens um das
Unabänderliche, auch wenn es weh tut. Du nimmst deine Hindernisse, wie ein
gutes Jagdpferd.«
Scarlett
lächelte unsicher und berührte gehorsam die welke Wange, die sich ihr bot, mit
den Lippen. Es machte ihr Freude, ein anerkennendes Wort zu hören, auch wenn
sie den Sinn nicht recht verstand.
»Viele
hier werden etwas daran auszusetzen haben, daß du Sue einen mittellosen Mann
heiraten läßt - wenn auch jeder Will gern hat. Sie werden in demselben Atemzug
sagen, was für ein feiner Kerl er ist und wie schrecklich es für eine O'Hara
ist, unter ihrem Stande zu heiraten. Aber laß dich das nicht kümmern!«
»Was die
Leute reden, hat mich noch nie gekümmert.«
»Davon
habe ich gehört.« Die alte Stimme klang ein wenig herb. »Also kehre dich nicht
daran, was die Leute reden. Die Ehe wird jedenfalls gut ausfallen. Will wird
natürlich immer wie ein armer Schlucker aussehen, und richtiger sprechen lernen
wird er in der Ehe auch nicht. Selbst wenn er ein Vermögen herauswirtschaftete,
wird er Tara doch nie den Glanz verleihen, den dein Vater ihm gab. Arme haben
keinen Glanz. Aber Will ist im Herzen ein Gentleman. Er besitzt den richtigen
Instinkt. Nur ein geborener Gentleman kann so genau ausdrücken, was uns fehlt,
wie er es vorhin getan hat. Die ganze Welt kann uns nichts anhaben, aber wir
selber kriegen uns unter, indem wir uns zu schmerzlich nach dem verzehren, was
wir nicht mehr haben ... und zuviel von Erinnerungen leben. Ja, Will wird für
Suellen und Tara ein Segen sein.«
»Sie
billigen also, daß ich ihm erlaube, sie zu heiraten?«
»Beim
Himmel, nein!« Die alte Stimme klang müde und bitter, aber kraftvoll.
»Billigen, daß Arme in gute Familien hineinheiraten? Pff! Findest du etwa
schön, wenn man einen Ackergaul mit einer Vollblutstute paart? Gewiß, Arme
können gute, ehrenhafte Leute sein, aber ... «
»Aber Sie
meinten doch eben, es gäbe eine gute Ehe!« Scarlett wußte nicht mehr, was sie
denken sollte.
»Gewiß, es
ist gut für Suellen, Will zu heiraten ... irgend jemanden zu heiraten, wenn du
so willst, denn sie braucht dringend einen Mann, und wo sollte sie sonst einen
hernehmen? Und wo solltest du sonst jemanden finden, der Tara so gut bewirtschaftet?
Aber das will noch nicht heißen, daß mir das Ganze irgendwie besser gefällt als
dir.«
»Aber es
gefällt mir doch«, dachte Scarlett und versuchte dahinterzukommen, was die alte
Dame denn eigentlich meinte. »Ich freue mich, daß Will sie heiratet. Wie kommt
sie darauf, daß ich etwas dagegen haben könnte? Sie meint, es verstehe sich von
selbst, weil sie etwas dagegen hat.« Sie war verwirrt und schämte sich fast ein
wenig, wie immer, wenn andere ihre eigenen Gefühle und Beweggründe ihr
unterschoben in der Meinung, sie teile sie.
Großmama
fächelte sich mit ihrem Palmblatt und fuhr eifrig fort: »Ich billige die Heirat
ebensowenig wie du. Aber ich bin eine praktische Frau, und das bist du auch.
Und wenn mir etwas Unangenehmes begegnet, das sich nicht ändern läßt, so finde
ich, es hat keinen Zweck, zu schreien und mit den Füßen zu trampeln. So wird
man mit dem Auf und Ab des Lebens nicht fertig. Das weiß ich, weil meine eigene
und des alten Doktors Familie das Auf und Ab reichlich durchgekostet haben, und
wenn unsereins einen Wahlspruch hat, so lautet er: >Mach kein Geschrei,
lächle und warte deine Zeit ab.< So haben wir allerlei überdauert, weil wir
lächelnd abwarteten, und wissen jetzt, wie man es macht. Wir haben es lernen
müssen. Wir haben immer aufs falsche Pferd gesetzt. Wir sind mit den Hugenotten
aus Frankreich, mit den Kavalieren aus England, mit dem Prinzen Charlie aus
Schottland geflohen, von den Negern aus Haiti vertrieben und von den Yankees
geschlagen worden. Aber in ein paar Jahren sind wir immer wieder obenauf. Weißt
du, warum?«
Sie warf
den Kopf zurück, und Scarlett fand, sie gleiche völlig einem weisen alten
Papagei.
»Nein, wie
sollte ich das wissen«, antwortete sie höflich. Aber es langweilte sie
gründlich, genau wie damals, als Großmama ihre Erinnerungen an den
Indianeraufstand auskramte.
»Ich will
dir sagen, warum. Wir beugen uns vor dem Unabänderlichen. Wir sind kein Weizen,
wir sind Buchweizen. Wenn ein Unwetter kommt, legt es reifen Weizen um, weil er
trocken ist und sich vor dem Winde nicht biegt. Aber reifer Buchweizen ist voll
Saft und biegt sich. Wenn der Wind vorüber ist, richtet er sich wieder auf und
steht stark und aufrecht wie zuvor. Wir sind kein
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