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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Menschen weinen sehen, aber dich nicht. Siehst
du«, sagte sie sanfter, »ich kann es nicht, weil ich weiß, daß du ihn
liebgehabt hast. Schnupf dich aus, Pork, ich habe etwas für dich.«
    Ein wenig
Neugierde flackerte in Porks Augen auf, während er sich geräuschvoll die Nase
putzte, aber es war wohl mehr höflich als echt gemeint.
    »Weißt du
noch den Abend, da du angeschossen wurdest, weil du einen Hühnerstall
geplündert hattest?«
    »Herr
Jesus, Miß Scarlett, ich habe doch nie ...«
    »Das hast
du wohl, also mach mir jetzt nichts mehr vor. Erinnerst du dich wohl, daß ich
dir damals sagte, ich wollte dir eine Uhr schenken?«
    »Jawohl,
Missis, das weiß ich noch. Ich dachte, Sie haben es vergessen.«
    »Nein, das
habe ich nicht. Hier ist sie.«
    Sie hielt
ihm eine schwere Uhr aus massivem Gold mit schöner Treibarbeit hin, an der eine
Kette mit vielen Berlocken und Petschaften hing.
    »Um
Himmels willen, Miß Scarlett!« Pork war ganz erschrocken. »Das ist ja Master
Geralds Uhr, danach hat er doch millionenmal gesehen.«
    »Ja, es
ist Pa's Uhr, Pork, und ich schenke sie dir. Nimm sie.«
    »O nein,
Missis!« Entsetzt wich Pork zurück. »Das ist die Uhr eines weißen Gentleman und
noch dazu Master Geralds. Wie können Sie mir davon reden, daß ich sie haben
soll, Miß Scarlett! Die Uhr gehört doch von Rechts wegen dem kleinen Wade
Hampton.«
    »Sie
gehört dir. Was hat denn Wade Hampton je für Pa getan? Hat er für ihn gesorgt,
als er krank und schwach war? Hat er ihn gebadet und angezogen und rasiert? Hat
er bei ihm ausgehalten, als die Yankees kamen? Hat er für ihn gestohlen? Sei
kein Esel, Pork. Wenn jemand die Uhr verdient hat, so bist du es, und ich weiß,
Pa findet das auch.«
    Sie nahm
die schwarze Hand in die ihre und legte die Uhr hinein.
    Pork
betrachtete sie ehrfürchtig, und allmählich begann sein Gesicht zu leuchten.
    »Für mich, Miß Scarlett?
Wahrhaftig?«
    »Ja, wirklich!«
    »Ach dann
... dank auch schön, Missis.«
    »Soll ich
sie mit nach Atlanta nehmen und etwas hineingravieren lassen?«
    »Grabieren?
Was heißt das?« Porks Stimme klang argwöhnisch.
    »Es heißt,
etwas hinten darauf schreiben lassen, vielleicht: Dem guten und treuen Diener
zum Lohn.«
    »Nein,
Missis. Dank auch, Missis. Lassen Sie nur das Grabieren sein.« Pork trat einen
Schritt zurück und hielt die Uhr ganz fest.
    Ein
Lächeln zuckte um Scarletts Lippen. »Was, ist, Pork? Glaubst du, ich bringe sie
dir nicht wieder?«
    »Doch,
Missis, nur, Missis, Sie könnten sich doch vielleicht anders besinnen.«
    »Nein, so
etwas tue ich nicht.«
    »Aber Sie
könnten sie doch vielleicht verkaufen, sie ist sicher eine Masse wert.«
    »Meinst du, ich verkaufe Pa's Uhr?«
    »Wenn Sie das Geld brauchen,
doch.«
    »Dafür
verdienst du Schläge, Pork. Ich habe Lust, dir die Uhr wieder fortzunehmen.«
    »Nein,
Missis, das tun Sie nicht!« Zum erstenmal erschien ein schwaches Lächeln auf
Porks vergrämtem Gesicht. »Ich kenne Sie, Miß Scarlett ... und ... «
    »Nun,
Pork?«
    »Wenn Sie
nur mit den Weißen halb so nett wären wie mit den Negern, dann würden Sie es
auch besser haben.«
    »Ich habe
es gar nicht so schlecht«, erwiderte sie. »Und nun hol Mr. Ashley und sag ihm,
ich möchte ihn sofort hier sprechen.«
     
    Ashley saß
auf Ellens kleinem Schreibtischstuhl, der sich in seiner Zierlichkeit winzig
unter seinem hochgewachsenen Körper ausnahm, während Scarlett ihm eine
Beteiligung von fünfzig Prozent an der Sägemühle anbot. Nicht ein einziges Mal
begegneten seine Augen ihrem Blick, nicht ein Wort warf er ein. Er saß da und
blickte auf seine Hände herunter. Er dichte sich langsam und beschaute sie
zuerst innen und dann außen, als hätte er sie nie vorher gesehen. Trotz harter
Arbeit waren sie immer noch schlank und fein und für Farmerhände merkwürdig gut
gepflegt.
    Sein
gesenkter Kopf und sein Schweigen brachten sie etwas in Verwirrung. Sie gab
sich doppelte Mühe, ihm das Mühlengeschäft verlockender darzustellen. Sie bot
dazu all den Zauber des Lächelns und der Blicke auf, der ihr eigen war, aber
vergebens, denn er schaute nicht auf. Wenn er sie doch nur ansehen wollte! Sie
ließ nicht im geringsten durchblicken, daß sie durch Will über Ashleys Absicht,
nach dem Norden zu gehen, unterrichtet war; sie redete so, als stände seiner
Einwilligung zu ihrem Plan nichts im Wege. Immer noch sprach er kein Wort, und
schließlich verklangen ihre Worte im Schweigen. In seinen schlanken Schultern
lag etwas von

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