Margaret Mitchell
steifnackiges Geschlecht. Wir
sind sehr biegsam, wenn der Sturm weht, denn wir wissen, es lohnt sich. Wenn
schwere Zeiten kommen, beugen wir uns vor dem Unausweichlichen, ohne zu klagen.
Wir arbeiten, lächeln und warten unsere Zeit ab. Wir geben uns wohl auch
flüchtig mit geringeren Leuten ab und nehmen, was sie uns zu bieten haben. Wenn
wir aber wieder stark genug sind, geben wir ihnen einen Fußtritt, nachdem wir
sie als Sprossen benutzt haben, um wieder in die Höhe zu kommen. Das ist das
Geheimnis, wie man nicht untergeht, mein Kind«. Nach einer Pause setzte sie
hinzu: »Ich gebe es an dich weiter.«
Die alte
Dame schwatzte vor sich hin, als amüsiere sie sich über ihre eigenen Worte,
trotz des Giftes, das sie enthielten. Sie sah aus, als erwarte sie, daß
Scarlett sich dazu äußere, aber die hatte sich wenig dabei denken können, ihr
fiel nichts ein, was sie erwidern konnte.
»Jawohl«,
fuhr die alte Miß fort, »unsereins läßt sich wohl zu Boden drücken, aber wir
richten uns wieder auf, und das kann ich von sehr vielen hier nicht behaupten.
Sieh dir Cathleen Calvert an, was aus der geworden ist. Eine Proletarierin! Sie
steht jetzt viel tiefer als der Mann, den sie geheiratet hat. Sieh dir McRaes
an. Hilflos liegen sie am Boden und wissen nicht, was sie tun sollen. Sie
verjammern ihre Tage über die gute alte Zeit. Sieh dir ... ja, eigentlich alle
hier in der Provinz an, bis auf meinen Alex und meine Sally, dich selbst und
Jim Tarleton und seine Töchter und noch einige wenige. Der Rest ist
untergegangen, weil er nicht Saft und Kraft hatte, sich wieder aufzurichten.
Für die Leute gab es nichts anderes auf der Welt als Geld und Schwarze ... und
jetzt, da es kein Geld und keine Schwarzen mehr gibt, dauert es höchstens noch
ein Menschenalter, dann sind sie alle armer Pöbel.«
»Sie
vergessen Wilkes.«
»Nein, die
habe ich nicht vergessen. Ich wollte nur höflich sein und sie nicht nennen, da
Ashley doch in diesem Hause Gast ist. Aber da du nun von ihnen anfängst ...
schau sie dir doch an! India, die, soviel ich höre, schon eine vertrocknete
alte Jungfer ist und sich als Witwe aufspielt, weil Stu Tarleton gefallen ist.
Warum versucht sie nicht, ihn zu vergessen und einen anderen Mann zu bekommen?
Freilich, jung ist sie nicht mehr, aber ein Witwer mit Familie wäre doch am
Ende zu finden, wenn sie sich Mühe gäbe. Und die arme Honey war immer nur ein
mannstolles dummes Ding und hatte nicht mehr Verstand als ein Perlhuhn, und
Ashley ... nun, sieh ihn dir doch an!«
»Ashley
ist ein feiner Kerl«, fing Scarlett hitzig an.
»Das habe
ich nie geleugnet, aber er ist so hilflos wie eine Schildkröte, wenn sie auf
dem Rücken liegt. Wenn Wilkes diese schwere Zeit heil überstehen, so ist es
Mellys Verdienst, nicht Ashleys.«
»Melly! Aber
Großmama! Was fällt Ihnen ein! Ich habe lange genug mit Melly gelebt. Sie ist
kränklich und so bange, daß sie nicht den Schneid hat, eine Gans zu
verscheuchen.«
»Nun sag
mir in aller Welt, wozu braucht man denn Gänse zu verscheuchen? Mir ist das
immer wie eine Zeitverschwendung vorgekommen. Die Gänse läßt sie wohl ruhig
schnattern, aber sie ist imstande und verscheucht dir die ganze
Yankeeregierung, oder wer sonst ihren kostbaren Ashley, ihren Jungen oder was
ihr am Herzen liegt, bedroht. Sie macht es nicht wie du, Scarlett, und auch
nicht wie ich. Deine Mutter hätte es wohl ebenso gemacht, wenn sie noch lebte.
Melly erinnert mich immer an deine Mutter, als sie noch jung war ... Vielleicht
bringt sie Wilkes heil durch.«
»Na ja,
Melly ist ein liebes Ding. Aber gegen Ashley sind Sie sehr ungerecht. Er ist
... «
»Teufel
auch! Ashley ist zum Bücherlesen geboren und zu weiter nichts. Damit zieht man
sich nicht aus der Patsche, in der wir alle bis über die Ohren stecken. Soviel
ich höre, pflügt in der ganzen Provinz keiner so unbeholfen und schlecht wie
er. Sieh dagegen meinen Alex an! Vor dem Kriege ein geschniegelter Nichtsnutz,
der nur seine neueste Krawatte im Kopfe hatte, sich betrank, Leute niederschoß
und hinter Mädchen her war, die auch nicht sonderlich viel taugten. Und jetzt?
Jetzt hat er die Landwirtschaft gelernt, weil er mußte, sonst wäre er
verhungert und wir alle mit ihm. Jetzt zieht er die beste Baumwolle in der
Provinz ... jawohl, Miß. Viel bessere als ihr auf Tara. Und er versteht, mit
Schweinen und Hühnern umzugehen. Ja, er ist ein feiner Bursche, und wenn er
noch so oft in Hitze gerät. Er versteht seine Zeit abzuwarten und
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