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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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erstenmal
in ihrer Ehe ein Heim zu haben, daß sie auf diese Wohnung sogar stolz war.
Scarlett hätte Qualen der Demütigung ausgestanden, wenn ihre Freunde sie ohne Portieren,
Teppiche, Kissen und ohne die angemessene Anzahl Stühle, Teetassen oder Löffel
angetroffen hätten. Aber Melanie empfing die Gäste in ihrem Hause so
unbefangen, als nenne sie die schönsten Plüschvorhänge und Brokatsofas ihr
eigen.
    Obwohl
sichtlich glücklich, fühlte Melanie sich dennoch nicht recht wohl. Der kleine
Beau hatte sie ihre Gesundheit gekostet, und die schwere Arbeit, die sie seit
seiner Geburt auf Tara getan hatte, hatte ihre schwachen Kräfte weiter
verbraucht. Sie war so mager, als wollten ihre feinen Knochen aus der weißen
Haut hervorbrechen. Aus einiger Entfernung sah sie wie ein kleines Mädchen aus,
wenn sie im Hintergarten mit ihrem Jungen spielte, so unglaublich zierlich war
ihre Taille, und Figur hatte sie eigentlich überhaupt nicht mehr. Ihre Brust
trat kaum hervor, ihre Hüften waren schmal wie die des kleinen Beau, und da sie
weder eitel war noch nach Scarletts Ansicht verständig genug, Rüschen in ihre
Taille und eine Wattierung hinten in ihr Korsett zu nähen, so fiel ihre
Magerkeit sehr auf. Wie ihr Körper war auch ihr Gesicht mager und außerdem zu
bleich, und ihre seidigen, gewölbten Brauen, zart wie Schmetterlingsfühler,
hoben sich allzu schwarz von der farblosen Haut ab. In ihrem Gesichtchen waren
die Augen zu groß, um schön zu sein, mit den dunklen Ringen darunter wirkten
sie riesenhaft. Aber ihr Ausdruck hatte sich seit ihrer sorglosen Mädchenzeit
nicht verändert. Krieg, beständige Schmerzen und schwere Arbeit hatten ihre
liebliche Ruhe nicht zu trüben vermocht Es waren die Augen einer glücklichen
Frau, die alle Stürme umtoben konnten, ohne an den heiteren Kern ihres Wesens
zu rühren.
    Wie
brachte sie es nur fertig, ihre Augen so zu erhalten! dachte Scarlett neidisch.
Ihr war bewußt, daß die ihren manchmal gleich denen einer hungrigen Katze
dreinschauten. Was hatte doch Rhett einmal von Melanies Augen gesagt ... sie
seien wie Kerzen, oder so ähnlich törichtes Zeug ... ach ja, wie zwei gute
Werke in einer bösen Welt. Sie waren wirklich wie Kerzen, die vor jedem Wind
geschützt waren, zwei sanfte Lichter, die vor Glück leuchteten, weil sie wieder
daheim bei ihren Freunden war.
    Das Häuschen
war immer voller Menschen. Melanie war schon als Kind ein Liebling der
Gesellschaft gewesen, und nun strömte die halbe Stadt herbei, um sie daheim
willkommen zu heißen. Jeder brachte irgendein Geschenk für die Hauseinrichtung
mit, Nippessachen, Bilder und silberne Löffel, leinene Kissenbezüge,
Tischtücher, Flickenteppiche - Kleinigkeiten, die vor Sherman gerettet und
sorgsam behütet worden waren, die ihre Eigentümer aber nun, wie sie schwuren,
durchaus nicht mehr gebrauchen konnten.
    Alte
Herren, die mit ihrem Vater im mexikanischen Feldzug gewesen waren, kamen zu
ihr und brachten Freunde mit, die die liebreizende Tochter des alten Obersten
Hamilton kennenlernen wollten. Die alten Freundinnen ihrer Mutter sammelten
sich um sie, denn Melanie war von einer Ehrerbietung gegen ältere Leute, die in
dieser wüsten, manierlosen Zeit für alte Damen sehr tröstlich war. Ihre
Altersgenossinnen, die jungen Frauen, Mütter und Witwen hingen an ihr, weil sie
dasselbe durchgemacht hatte wie sie und davon nicht verbittert, sondern nur
noch mitfühlender geworden war. Und junge Leute kamen, wie junge Leute immer
tun, einfach weil sie sich bei ihr gut unterhielten und die Freunde trafen, die
sie treffen wollten.
    Um
Melanies taktvolle Person, die sich nie selbst in den Vordergrund schob,
bildete sich bald ein Kreis der besten Elemente, die aus Atlantas
Vorkriegsgesellschaft übriggeblieben waren, alle arm, aber stolz, selbstbewußt
und tapfer. Es war, als hätte die Gesellschaft Atlantas nach den Verwüstungen
der letzten Jahre hier einen unerschütterlichen Kern gefunden, um den sie sich
neu bilden konnte.
    Melanie
war jung, aber sie hatte alle Eigenschaften, die man hochschätzte, Armut und
den Stolz darauf, arm zu sein, den Mut, der nicht klagt, Fröhlichkeit,
Gastfreiheit, Güte und vor allem die Treue zu dem Althergebrachten. Melanie
lehnte es ab, sich umzuwandeln und zuzugeben, daß in dieser veränderten Welt
Grund vorhanden sei, sich gleichfalls zu verändern. In ihrem Heim schien die
alte Zeit wieder aufzublühen, die Menschen faßten Mut und verachteten noch mehr
als sonst den Trubel wüsten

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