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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Lebens und unmäßigen Aufwandes, der die
emporgekommene Schicht der Schieber und neureichen Republikaner mit sich
fortriß.
    Wenn man
ihr in das junge Gesicht mit seiner unwandelbaren Treue zur alten Zeit sah,
konnte man für einen Augenblick all die Verräter an der eigenen Lebensform,
deren es so viele gab, vergessen. Da waren Männer aus guter Familie, die, von
der Armut zur Verzweiflung getrieben, zum Feinde übergegangen und Republikaner
geworden waren. Sie hatten von den Eroberern Stellungen angenommen, damit ihre
Familie nicht mehr von Wohltätigkeit zu leben brauchte. Da waren junge
ehemalige Soldaten, die sich nicht zutrauten, in langen Jahren geduldig ein
Vermögen aufzubauen. Diese Jünglinge arbeiteten unter Rhett Butlers Führung
Hand in Hand mit den Schiebern in Geldgeschäften höchst unerquicklicher Art.
    Schlimmer
noch als all diese Verräter waren die Töchter aus einigen der besten Familien
Atlantas. Diese Mädchen waren erst nach der Kapitulation herangewachsen,
besaßen nur kindliche Erinnerungen an den Krieg und hatten nichts von der
Bitterkeit, die die Älteren erfüllte. Sie hatten keinen Mann und keinen
Liebsten verloren. Von dem vergangenen Reichtum und seiner Pracht wußten sie
kaum etwas - aber die Offiziere der Yankees sahen gut aus und waren elegant
angezogen, und vor allem hatten sie keine Sorgen. Sie gaben die herrlichsten
Bälle und fuhren mit den schönsten Pferden und beteten die Mädchen aus dem
Süden an. Sie behandelten sie wie Königinnen und hüteten sich wohl, ihren
empfindlichen Stolz zu kränken. Warum also sollten sie nicht mit ihnen
verkehren?
    Sie waren
so viel erfreulicher als die einheimischen Liebhaber, diese schäbig
gekleideten, ernsthaften Männer, die so schwer zu arbeiten hatten, daß ihnen
wenig Zeit für Zerstreuungen blieb. So kam es, daß eine ganze Anzahl Mädchen
mit Yankeeoffizieren durchgebrannt war, zum bittersten Kummer ihrer Familien.
Brüder schnitten ihre Schwestern auf der Straße, und Mütter und Väter erwähnten
die Namen ihrer Töchter nicht mehr. Bei dem Gedanken an solche Tragödien rann
denen, deren Wahlspruch lautete: »Nie nachgeben!«, das Grauen durch die Adern,
das ihnen erst vor Melanies sanftem unwandelbarem Gesicht verging. Sie war, wie
die alten Damen sagten, den jungen Mädchen der Stadt ein leuchtendes Vorbild.
Und weil sie sich mit ihrer Tugend nicht brüstete, hegten die jungen Mädchen
keinen Groll gegen sie.
    Niemals
kam es Melanie in den Sinn, daß sie zum Mittelpunkt einer neuen Gesellschaft
wurde. Sie fand es nur nett von den Leuten, daß sie sie besuchten und sie zu
ihren Nähzirkeln, kleinen Tanzfesten und Musikabenden aufforderten. Atlanta war
immer musikalisch gewesen und hatte gute Musik gepflegt, trotz der höhnischen
Bemerkungen der Schwesterstädte aus dem Süden über den Bildungsmangel der
Stadt, und jetzt lebte dies musikalische Interesse mit um so größerer
Begeisterung wieder auf, je schwerer die Zeit mit ihren Spannungen zu ertragen
war. Bei den Klängen von Musik vergaß man die unverschämten schwarzen Gesichter
und die blauen Uniformen auf der Straße leichter.
    Mit
einiger Verlegenheit fand Melanie sich plötzlich an der Spitze des neu
gegründeten >Sonnabend-Zirkels für Musik<, der regelmäßig am letzten
Abend der Woche zusammenkam. Sie konnte sich ihre Wahl selber nur damit
erklären, daß sie jeden auf dem Klavier zu begleiten vermochte, sogar die
beiden Fräulein McLure, die durchaus Duette singen wollten, obwohl sie keine
Spur von Gehör hatten.
    Der
wirkliche Grund aber war, daß Melanie es mit diplomatischem Geschick verstanden
hatte, den Herrenklub und mehrere Damenkränzchen, die das Harfen-, Mandolinen-
oder Gitarrenspiel pflegten, in diesem >Sonnabend-Zirkel< zu
verschmelzen. Was fortan in Atlanta an musikalischen Aufführungen geboten
wurde, war des Zuhörens wohl wert. Ja, es hieß, das >Zigeunermädchen< sei
hier viel schöner aufgeführt worden als je von Berufsmusikern in New York und
New Orleans. Nachdem es Melanie gelungen war, auch das
>Harmermnen-Kränzchen< zum Beitritt zu bewegen, sagte Mrs. Merriwether zu
den Damen Meade und Whiting, sie müsse die Gesamtleitung übernehmen, denn wer
mit den Harfnerinnen fertig würde, der würde mit jedem Menschen fertig. Mrs.
Merriwether selbst begleitete den Chor der Methodistenkirche auf der Orgel und
hatte als Orgelspielerin nicht viel Achtung vor Harfen und Harfnerinnen.
    Des
weiteren war Melanie sowohl von dem >Verein zur Verschönerung

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