Margaret Mitchell
der
Soldatengräber< wie von der >Nähgemeinschaft für die Witwen und Waisen
der Konföderierten< zur Schriftführerin ernannt worden. Diese neue Ehrung
wurde ihr nach einer erregten gemeinsamen Sitzung der beiden Vereine
angetragen, die in Tätlichkeiten zu enden und lebenslängliche Freundschaften zu
zerreißen drohte. In dieser Sitzung hatte sich die Frage erhoben, ob auf dem
Grabe eines Unionssoldaten, falls es neben dem eines konföderierten Soldaten
läge, das Unkraut auch zu beseitigen sei oder nicht. Die verwahrlosten
Yankeegräber nämlich machten alle Anstrengungen der Damen, die Ruhestätten
ihrer eigenen Toten zu verschönern, zuschanden. Jäh loderte das Feuer des
Zwistes empor, das unter engen Taillen geschwelt hatte. Die beiden
Organisationen spalteten sich und standen einander unversöhnlich gegenüber. Die
Nähgemeinschaft war für, die Damen aus dem Verschönerungsverein waren ungestüm
gegen das Jäten.
Mrs. Meade
sprach diesen Damen aus der Seele, als sie sagte: »Auf den Yankeegräbern
Unkraut jäten? Für zwei Cents grübe ich alle Yankees aus und würfe sie auf den
Schindanger der Stadt.«
Nach
diesen tönenden Worten sprangen die Mitglieder beider Vereinigungen von ihren
Sitzen, jede Dame sagte ihre Meinung, und keine hörte zu. Die Sitzung wurde in
Mrs. Merriwethers Salon abgehalten, und Großpapa Merriwether, der in die Küche
verbannt worden war, berichtete später, es wäre genau solch Getöse gewesen wie
bei dem Artilleriefeuer, das die Schlacht bei Franklin eröffnete. Und, fügte er
hinzu, in der Schlacht bei Franklin sei es viel weniger lebensgefährlich
zugegangen als bei dieser Damensitzung.
Wie es
geschah, wußte niemand, aber Melanie brach sich durch die aufgeregte Menge Bahn
und verschaffte sich mit ihrer sanften Stimme im Tumult Gehör. Die Angst vor
der empörten Versammlung schnürte ihr den Hals zu, aber sie ließ nicht locker
und rief immer wieder: »Aber bitte, meine Damen«, bis der Lärm sich legte.
»Ich
wollte sagen ... ich meine, ich habe schon lange nachgedacht, wir ... wir
sollten dort nicht nur das Unkraut ausjäten, sondern Blumen pflanzen. Es ist
mir einerlei, was Sie von mir denken, aber wenn ich Blumen zum Grabe des lieben
Charlie bringe, lege ich auch einige auf das Grab des unbekannten Yankee
daneben. Es ... es sieht gar so verlassen aus.«
Wieder
machte sich die Aufregung in lauteren Worten Luft, und diesmal waren die beiden
Organisationen einer Meinung: »Auf Yankeegräber! Aber Melanie, wie kannst du!«
- »Sie haben doch Charlie ums Leben gebracht!« - »Und auch dich beinahe!« -
»Sie hätten ja Beau bei der Geburt umbringen können!« - »Sie haben doch
versucht, Tara niederzubrennen!«
Melanie
stützte sich auf ihre Stuhllehne, schier zerschmettert von der Wucht einer
Mißbilligung, wie sie sie noch nie kennengelernt hatte.
»Meine
Damen«, flehte sie, »bitte, lassen Sie mich ausreden! Ich weiß, ich habe nicht
das Recht, etwas dazu zu sagen, denn außer Charlie habe ich keinen meiner
Lieben verloren, und ich weiß, Gott sei Dank, wo er liegt. Aber es sind heute
viele unter uns, die nicht wissen, wo ihre Söhne, ihr Mann oder ihr Bruder
begraben liegen, und ... «
Sie konnte
nicht weitersprechen. Im Zimmer war es jetzt totenstill.
Mrs.
Meades flammende Augen blickten düster. Sie hatte nach der Schlacht die lange
Reise nach Gettysburg gemacht, um Darcys Leiche heimzubringen, aber das Grab
war nicht zu finden gewesen. Mrs. Allan zuckte es um den Mund. Ihr Mann und ihr
Bruder waren bei dem unseligen Streifzug Morgans nach Ohio mitgeritten, und als
letztes hatte sie von ihnen gehört, daß sie am Ufer des Ohio beim Sturmangriff
der feindlichen Kavallerie gefallen waren. Sie wußte nicht, wo sie lagen. Mrs.
Allisons Sohn war in einem Gefangenenlager im Norden gestorben, und sie war zu
arm, um seine Leiche heimholen zu können. Andere hatten in den Verlustlisten
gelesen >vermißt, wahrscheinlich tot< und weiter nichts mehr von denen
gehört, die sie hatten ausmarschieren sehen.
Sie
schauten Melanie an, und ihre Augen schienen zu sagen: »Warum reißt du die
Wunden auf" Wer nicht weiß, wo sie liegen, dessen Wunde heilt nie.«
Melanie
schöpfte Kraft aus der Stille im Zimmer.
»Ihre
Gräber liegen irgendwo im Lande der Yankees, wie die Yankeegräber hier, und wie
schrecklich wäre es für uns, wenn eine Yankeefrau sagte, sie wolle sie
ausgraben und ... «
Mrs. Meade
stieß einen kurzen Laut des Grauens hervor.
»Aber wie
wohl täte es uns zu
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