Margaret Mitchell
zurückkam, hatte er nicht das Geld, ein neues zu bauen. Er hatte
sich damit begnügt, auf den unversehrt gebliebenen Stock ein flaches Dach zu
setzen, was dem Gebäude etwas Untersetztes und Unförmiges gab, so wie Kinder
sich ein Haus aus Schuhkästen erbauen. Es hatte einen hohen, großen Keller und
wirkte mit seiner breiten, geschwungenen Freitreppe ein wenig lächerlich. Aber
der flachgedrückte Kasten wurde durch zwei herrliche alte Eichen, in deren
Schatten er stand, verschönt, und eine Magnolie voll weißer Blüten zwischen den
staubigen Blättern wuchs dicht neben der Haustreppe. Der breite grüne Rasen,
bedeckt mit üppigem Klee, war von struppigem Liguster eingefaßt, den
süßduftender Jelägerjelieber überall durchzog. Von niedergebrochenen alten
Stämmen rankten sich hier und da Rosen ins Gras, und weiße und rosa Myrten
blühten so friedlich, als wäre kein Krieg über sie hingegangen und als hätten
keine Yankeepferde ihre Äste benagt.
Scarlett
fand, es sei die häßlichste Wohnung, die ihr je vorgekommen war, aber Melanie
fand selbst Twelve Oaks in all seiner Großartigkeit nicht schöner als dies. Es
war ihr eigen, und Ashley, Beau und sie waren endlich unter eigenem Dach
vereint.
Aus Macon,
wo sie und Honey seit 1864 gelebt hatten, kam India Wilkes zurück, um jetzt bei
ihrem Bruder zu wohnen. In dem kleinen Hause wurde es dadurch noch enger. Aber
Ashley und Melanie hießen sie willkommen. Die Zeiten hatten sich geändert, das
Geld war knapp, aber an dem unverbrüchlichen Gesetz des Südens, daß eine
Familie armen oder unverheirateten weiblichen Verwandten stets gern einen Platz
bei sich einräumte, hatte nichts etwas ändern können.
Honey
hatte geheiratet, und zwar, wie India erzählte, unter ihrem Stande: einen
groben Westler aus Mississippi, der sich in Macon niedergelassen hatte, mit
rotem Gesicht, lauter Stimme und munterem Wesen. India war mit der Verbindung
nicht einverstanden gewesen und hatte sich deshalb im Haus ihres Schwagers
nicht glücklich gefühlt Sie freute sich über die Nachricht, daß Ashley ein
eigenes Heim habe, weil sie nun eine Umgebung, die nicht zu ihr paßte,
verlassen konnte und nicht mehr unter dem Anblick ihrer Schwester in ihrem
törichten Glück mit einem Manne, der ihrer nicht wert war, zu leiden brauchte.
Die übrige
Familie fand insgeheim, die ewig kichernde, törichte Honey habe es viel besser
getroffen, als man erwarten konnte, und war höchlich verwundert, daß sie
überhaupt einen Mann erwischt hatte. Er war ein Gentleman und nicht
unbemittelt, aber India, die in Georgia geboren und in den Traditionen von
Virginia aufgewachsen war, hielt jeden, der nicht von der Ostküste stammte, für
einen Bauernlümmel und Barbaren. Wahrscheinlich war Honeys Mann ebenso
glücklich, sie los zu sein, wie sie ihn mit Freuden verlassen hatte, denn mit
India war nicht mehr leicht auszukommen.
Der Mantel
der Altjüngferlichkeit lag ihr nun endgültig über den Schultern. Sie war
fünfundzwanzig Jahre alt und sah dementsprechend aus, deshalb brauchte sie sich
nun nicht mehr um ein anziehendes Äußeres zu bemühen. Die blassen, wimpernlosen
Augen blickten unverschleiert und unerbittlich in die Welt, die schmalen Lippen
waren und blieben hochmütig zusammengepreßt. Sie trug eine stolze Würde zur
Schau, die ihr seltsamerweise besser zu Gesicht stand als die gekünstelte
mädchenhafte Lieblichkeit, die sie in Twelve Oaks an den Tag gelegt hatte. Sie
hatte fast die Stellung einer Witwe. Jeder wußte, daß Stuart Tarleton sie
geheiratet hätte, wäre er nicht bei Gettysburg gefallen, und deshalb wurde ihr
die Achtung zuteil, die einer Frau gebührt, die, wenn auch nicht geheiratet, so
doch geliebt worden ist.
Die sechs
Zimmer des Häuschens an der Efeustraße waren bald mit billigen Möbeln aus
Fichten- und Eichenholz aus Franks Laden eingerichtet. Da Ashley keinen Cent
besaß und auf Kredit kaufen mußte, konnte er nur das Allerbilligste und
Allernotwendigste erwerben. Das setzte Frank, der viel von Ashley hielt, in
Verlegenheit, und auch Scarlett war unglücklich darüber. Sie sowohl wie Frank
hätten mit Freuden unentgeltlich die feinsten Stücke aus Mahagoni und
geschnitztem Rosenholz, die der Laden aufwies, hergegeben, aber Wilkes lehnten
beharrlich ab. Das Haus war peinlich kahl und unschön, und Scarlett fand es
schrecklich, daß Ashley ohne Teppiche und Vorhänge hausen mußte. Aber er schien
seine Umwelt gar nicht zu bemerken, und Melanie war so glücklich, zum
Weitere Kostenlose Bücher