Margaret Mitchell
das hübscheste Möbel des Hauses war, seufzten die
Damen insgeheim jedesmal, wenn er sich mit seinen Stiefeln auf das gute Polster
legte. Aber niemand hatte den Mut, ihm etwas zu sagen, besonders, nachdem er
bemerkt hatte, es sei ein Glück, daß er einen so festen Schlaf habe, sonst
würde er noch verrückt, wenn die Damen wie eine Schar Perlhühner gackerten.
Manchmal
überlegte sich Scarlett, woher Archie wohl gekommen und wie sein Leben
verlaufen sein mochte, ehe er Melanies Keller bezog. Aber sie fragte ihn nicht.
In seinem grimmigen einäugigen Gesicht war etwas, was die Neugier abschreckte.
Sie wußte nur, daß seine Sprechweise die des nördlichen Berglandes war, daß er
Kriegsdienste getan und kurz vor der Kapitulation Auge und Bein verloren hatte.
Ein Zornesausbruch gegen Hugh Elsing brachte jedoch endlich die Wahrheit über
Archies Vergangenheit an den Tag.
Eines
Morgens fuhr der alte Mann Scarlett nach Hughs Mühle, und als sie ankamen, lag
sie still. Kein Neger war zu erblicken, und Hugh saß niedergeschlagen unter
einem Baum. Seine Belegschaft war am Morgen nicht erschienen, und nun wußte er
nicht, was er tun sollte. Scarlett war außer sich und scheute sich nicht, ihren
Ärger Hugh fühlen zu lassen. Sie hatte gerade einen Auftrag, zudem einen
dringenden, auf eine große Menge Holz bekommen. Sie hatte ihre ganze Energie,
ihren Charme und ihre Gewandtheit daransetzen müssen, ihn zu erlangen, und nun
lag die Mühle still.
»Fahren
Sie mich zur anderen Mühle«, befahl sie Archie. »Ja, ich weiß, es ist ein
langer Weg, und wir bekommen kein Mittagessen, aber wofür bezahle ich Sie
sonst? Mr. Wilkes muß seine Arbeit unterbrechen und mir schleunigst dieses
Quantum fertigstellen. Aber womöglich arbeitet seine Belegschaft auch nicht!
Hölle und Teufel! Etwas so Unzurechnungsfähiges wie Hugh Elsing ist mir noch
nicht vorgekommen. Wenn nur erst Johnnie Gallegher mit den Läden fertig ist,
die er baut, werde ich ihn an Hughs Stelle nehmen. Was geht es mich an, daß er
bei den Yankees war? Er arbeitet, einen faulen Iren habe ich noch nicht
gesehen. Und von den freigelassenen Negern habe ich genug. Ich nehme mir
Johnnie Gallegher und miete mir ein paar Sträflinge.«
Mit einem
bösen Blick seines einen Auges wandte sich Archie zu ihr. Kalter Zorn lag in
seiner eingerosteten Stimme. »Wenn Sie Sträflinge nehmen, gehe ich«, sagte er.
Scarlett
erschrak. »Gott im Himmel, warum?«
»Sträflinge
mieten, das kenne ich. Ich nenne das Sträflinge morden. Menschen kaufen, als
wären es Maultiere, und sie schlechter behandeln als Maultiere! Geschlagen
werden sie, zu essen kriegen sie nichts, und so bringt man sie um. Wem liegt
etwas daran? Dem Staat nicht. Er bekommt die Mietgebühren. Den Leuten, die die
Sträflinge gemietet haben, auch nicht. Sie wollen sie nur möglichst billig
abfüttern und soviel Arbeit aus ihnen herausholen, wie sie nur können. Zum
Teufel, Miß. Ich habe nie viel von Weibern gehalten, und jetzt halte ich noch
weniger von ihnen.«
»Was geht
es Sie eigentlich an?«
»Allerlei«,
sagte Archie kurz und, nach einer Pause, »ich bin wohl an die vierzig Jahre
Sträfling gewesen.«
Scarlett
blieb der Mund offenstehen, erschreckt drückte sie sich in die Kissen. Dies
also war des Rätsels Lösung. Darum hatte er seinen Nachnamen, seinen Geburtsort
und alles und jedes über sein Vorleben verschwiegen, darum fiel ihm das
Sprechen so schwer, daher kam sein kalter Menschenhaß. Vierzig Jahre! Da mußte
er ja zu lebenslänglicher Haft verurteilt sein, und die Lebenslänglichen waren
...
»Wegen
Mord?«
»Ja«,
antwortete Archie kurz und trieb das Pferd mit den Zügeln an. »Meine Frau.«
Scarlett
klappte vor Angst mit den Augenlidern. Unter seinem Bart schien er den Mund zu
verziehen, als lächle er bitter über ihre Furcht »Ich bringe Sie nicht um, Miß,
deshalb machen Sie sich keine Sorge. Es gibt nur einen Grund, eine Frau
umzubringen.«
»Sie haben
Ihre Frau ermordet!«
»Sie lag
bei meinem Bruder. Er ist davongekommen. Bereuen tu ich's nicht. Solche
Frauenzimmer muß man umbringen. Das Gesetz hat kein Recht, einen dafür ins
Gefängnis zu bringen, aber mich haben sie doch hineingesteckt.«
»Aber wie
sind Sie denn herausgekommen? Entwischt? Begnadigt?«
»Was man
so begnadigt nennt.« Seine dicken grauen Augenbrauen zogen sich zusammen, als
fiele es ihm schwer, die Worte aneinanderzureihen. »Damals, vierundsechzig, als
Sherman durch Georgia zog, saß ich in Milledgeville genau
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