Margaret Mitchell
langsam, fast mühselig. »Archie ist mein Name.«
»Es tut
mir leid, daß ich keine Arbeit für Sie habe, Mr. Archie.«
»Archie
ist mein Vorname.«
»Entschuldigen
Sie, und wie ist Ihr Nachname?«
Er spuckte
wieder. »Das ist wohl meine Sache«, sagte er. »Archie genügt.«
»Ich lege
keinen Wert auf Ihren Nachnamen. Ich habe keine Arbeit für Sie.«
»Ich
glaube doch. Mrs. Wilkes regte sich darüber auf, daß Sie so dumm sein wollen,
allein herumzulaufen, und sie hat mich hergeschickt, damit ich Sie fahre.«
»So?«
Scarlett war empört, über die Grobheit des Mannes und darüber, daß Melly sich
in ihre Angelegenheiten mischte.
Sein eines
Auge blickte sie mit einer ganz unpersönlichen Feindseligkeit an. »Ja. Eine
Frau braucht es einem Mann nicht extra schwerzumachen, wenn er versucht, sie zu
beschützen. Wenn Sie durchaus herumlaufen müssen, fahre ich Sie. Ich hasse die
Nigger und die Yankees auch.«
Er schob
seinen Tabakspriem in die andere Backe und setzte sich unaufgefordert auf die
obere Stufe. »Ich will nicht behaupten, daß ich gern mit Frauen herumfahre,
aber Mrs. Wilkes ist gut gegen mich gewesen und hat mich in ihrem Keller
schlafen lassen, und sie schickt mich her, ich soll Sie fahren.«
»Aber
...«, fing Scarlett hilflos an, dann hielt sie inne und betrachtete ihn sich
genauer. Darauf lächelte sie. Dieser ältliche Desperado gefiel ihr zwar gar
nicht, aber seine Gegenwart würde vieles vereinfachen. Mit ihm an ihrer Seite
könnte sie in die Stadt und nach den Mühlen fahren und Kunden besuchen. Jeder
mußte sie für sicher halten, wenn er neben ihr saß, und im übrigen sah er so aus,
daß von vornherein jeder Klatsch unmöglich war.
»Abgemacht«,
sagte sie. »Das heißt, wenn mein Mann einverstanden ist.«
Nachdem
Frank mit Archie unter vier Augen gesprochen hatte, gab er widerstrebend seine
Zustimmung und wies den Mietstall an, Pferd und Einspänner herauszugeben. Es
enttäuschte und schmerzte ihn, daß Scarlett sich auch als Mutter nicht, wie er
gehofft, veränderte, aber wenn sie durchaus zu ihren verfluchten Mühlen wollte,
war Archie ein wahres Geschenk Gottes.
So fing
eine Beziehung an, über die Atlanta anfangs verblüfft war. Archie und Scarlett
bildeten ein sonderbares Paar: der wilde, schmutzige Alte, dessen Holzbein
steif über das Spritzbrett hinausstak, und die sorgfältig angezogene, hübsche
junge Frau mit der geistesabwesend gerunzelten Stirn. Immer und überall,
innerhalb und außerhalb Atlantas waren sie zu sehen. Selten sprachen sie
miteinander, sichtlich waren sie einander unsympathisch und doch durch
beiderseitiges Bedürfnis, seinerseits nach Geld, ihrerseits nach Schutz,
aneinander gebunden. Wenigstens, sagten die Damen der Stadt, ist es
anständiger, als mit dem Butler herumzufahren. Sie fragten sich neugierig, wo
Rhett geblieben sein mochte. Vor drei Monaten hatte er plötzlich die Stadt
verlassen, und niemand wußte, wo er war, auch Scarlett nicht.
Archie war
ein wortkarger Mann. Er sprach nur, wenn er angeredet wurde, und antwortete
meist nur mit einem Grunzen. Jeden Morgen kam er aus Melanies Keller und setzte
sich bei Tante Pitty auf die vordere Haustreppe. Dort kaute und spuckte er, bis
Scarlett herauskam und Peter den Einspänner aus dem Stall holte. Onkel Peter
hatte vor ihm kaum weniger Angst als vor dem Teufel und vor dem Ku-Klux-Klan,
und sogar Mammy beschrieb furchtsam einen Bogen um ihn. Archie haßte die Neger.
Sie wußten es und fürchteten ihn. Sein Waffenarsenal hatte er durch eine zweite
Pistole verstärkt, und sein Ruf verbreitete sich weithin unter der schwarzen
Bevölkerung. Er brauchte nicht ein einziges Mal seine Pistole herauszuziehen
oder die Hand an den Gürtel zu legen. Die moralische Wirkung genügte, kein
Neger wagte auch nur zu grinsen, wenn Archie in Sichtweite war.
Einmal
fragte Scarlett ihn, warum er die Neger haßte, und war überrascht, von ihm eine
Antwort zu bekommen, denn gewöhnlich sagte er auf Fragen nur: »Das wird wohl
meine Sache sein.«
»Ich hasse
sie, wie alle im Gebirge sie hassen. Wir haben sie nie gemocht und nie welche
gehalten. Die Nigger haben den Krieg angefangen. Auch darum hasse ich sie.«
»Aber Sie
waren doch auch mit im Krieg.«
»Das wird
wohl das Vorrecht des Mannes sein. Die Yankees hasse ich auch - noch mehr als
die Nigger, und am meisten hasse ich schwatzhafte Weiber.«
Solche
unverblümten Grobheiten brachten Scarlett in stille Wut, und sie sehnte sich,
ihn los zu sein. Aber wie sollte
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