Margos Spuren
SeaWorld nur einen kleinen Besuch ab, das ist alles. SeaWorld ist der einzige Freizeitpark hier in der Gegend, in den ich noch nicht eingebrochen bin.«
»Wir können nicht in SeaWorld einbrechen«, sagte ich, und dann fuhr ich auf den leeren Parkplatz eines Möbelhauses und stellte den Motor ab.
»Wir haben nicht viel Zeit.« Sie streckte die Hand nach dem Zündschlüssel aus.
Ich schob ihre Hand weg. »Wir können nicht in SeaWorld einbrechen«, wiederholte ich.
»Du immer mit deinem Einbrechen.« Margo schwieg einen Moment und machte die nächste Dose Mountain Dew auf. Ein Lichtstrahl spiegelte sich in der Dose und flackerte über ihr Gesicht, und ich sah, dass sie selber grinsen musste, als sie sagte : »Wir brechen ja kein Schloss auf oder so was. Sieh es nicht als Einbruch im engeren Sinn. Stell dir einfach vor, wir hätten Freikarten, nur eben mitten in der Nacht.«
8
»Also, erstens werden wir garantiert erwischt«, sagte ich. Ich hatte den Motor nicht wieder angelassen und erklärte ihr, warum ich ihn nicht anließ, während ich mich fragte, ob sie mich im Dunkeln sehen konnte.
»Natürlich erwischen sie uns. Na und?«
»Es ist illegal.«
»Q, mal ehrlich, wie viel Ärger können die von SeaWorld uns machen? Ich meine, lieber Gott, nach allem, was ich heute Nacht für dich getan habe, kannst du nicht mal eine Sache für mich tun? Kannst du nicht einfach die Klappe halten und dich entspannen und aufhören, immer solche schreckliche Angst vor jedem kleinen Abenteuer zu haben?« Und dann murmelte sie : »Mann. Lass dir ein paar Eier wachsen.«
Jetzt wurde ich wütend. Ich befreite mich aus dem Gurt, damit ich mich über die Mittelkonsole zu ihr rüberbeugen konnte. »Nach allem, was DU für MICH getan hast?«, rief ich. Sie wollte selbstbewusst? Konnte sie haben. »Hast DU etwa den Vater MEINER Freundin angerufen, die MEINEN Freund vögelt, damit keiner meine Stimme erkennt? Hast DU MICH um die halbe Welt chauffiert, nicht weil du mir ach-so-wichtig bist, sondern weil ich einen Chauffeur brauchte und du in der Nähe wohnst? Sind das die Sachen, die DU heute Nacht für MICH getan hast?«
Sie sah mich nicht an. Stattdessen starrte sie die Plastikfassade des Möbelladens an. »Denkst du wirklich, ich hätte dich gebraucht? Meinst du nicht, ich hätte Myrna Mountweazel ein halbes Valium verpassen können, damit sie verschläft, wenn ich mich reinschleiche, um den Safe unter dem Bett meiner Eltern zu klauen? Oder dass ich mir, während du schläfst, den Schlüssel von deinem Schreibtisch hätte holen können? Ich habe dich nicht gebraucht, du Idiot. Ich habe dich ausgesucht . Und du hast mich zurück ausgesucht.« Jetzt sah sie mich an. »Das ist so was wie ein Versprechen. Zumindest für heute Nacht. In Gesundheit und Krankheit. In guten wie in schlechten Zeiten. In Reichtum und Armut. Bis dass der Morgen uns scheidet.«
Ich ließ den Motor an und fuhr auf die Straße, doch von ihrer Vorstellung von Teamwork abgesehen hatte ich immer noch das Gefühl, dass ich mich in was reinzerren ließ, und ich wollte wenigstens das letzte Wort haben. »Na schön, aber wenn die SeaWorld-GmbH einen Brief an die Duke University schickt, in dem steht, dass der Übeltäter Quentin Jacobsen nachts um halb fünf an der Seite einer Terroristin in ihr Gelände eingebrochen ist, dann wird die Duke University sauer. Und meine Eltern auch.«
»Q, du wirst zur Duke University gehen. Du wirst ein sehr erfolgreicher Anwalt-oder-so-was und heiratest und kriegst Kinder und lebst dein ganzes kleines Leben, und dann stirbst du irgendwann, und dann, bei deinem letzten Atemzug, wenn du im Altersheim an deiner eigenen Spucke erstickst, wirst du dir sagen : ›Ach! Das ganze Leben habe ich vergeudet, aber wenigstens bin ich kurz vor dem Highschool-Abschluss mit Margo Roth Spiegelman in SeaWorld eingebrochen. Einmal wenigstens habe ich Carpe diem vor Recht ergehen lassen.«
»Carpe noctem«, korrigierte ich.
»Na schön, du bist wieder der Linguistik-König. Du hast deinen Thron zurückerobert. Und jetzt fahr mich zu SeaWorld.«
Schweigend fuhren wir über die I-4, und ich musste plötzlich an den Tag denken, als der tote Mann im grauen Anzug an der Eiche saß. Vielleicht hat sie mich deswegen ausgesucht, dachte ich. Und erst da fiel mir wieder ein, was sie über den Toten und die letzte Saite gesagt hatte – und über sich selbst und die letzte Saite.
»Margo«, sagte ich in unser Schweigen.
»Q«, sagte sie.
»Was du
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