Margos Spuren
um zwölf nach vier Chuck Parsons Adresse?«
»Geh schlafen, Benno.«
»Ich tue so, als hätte ich das nur geträumt«, sagte Ben und legte auf.
Amherst Street war nur ein paar Straßen weiter. Wir parkten vor Nummer 418, suchten unser Werkzeug zusammen und joggten über den Rasen, wo der Morgentau unsere Waden benetzte.
An seinem Fenster, das glücklicherweise tiefer lag als das von Monsieur schlafender Zufall, stieg ich leise ein und zog Margo hinter mir her. Chuck Parson schlief auf dem Rücken. Auf Zehenspitzen ging Margo zu ihm, während ich mich mit klopfendem Herzen hinter sie stellte. Falls er aufwachte, würde er uns beide umbringen. Sie nahm die Veet-Tube, drückte ein wenig Creme, die wie Rasierschaum aussah, auf ihre Hand und verteilte sie sanft und vorsichtig auf Chucks rechter Augenbraue. Er zuckte nicht mal.
Dann öffnete sie die Vaseline-Packung. Das Schmatzen, das der Deckel von sich gab, schien mir ohrenbetäubend, doch Chuck zeigte kein Lebenszeichen. Sie schöpfte einen großen Klumpen heraus, den sie mir auf die Hand schmierte, und dann liefen wir in verschiedene Richtungen des Hauses. Zuerst ging ich zum Eingang und strich den Knauf der Haustür mit Vaseline ein, dann nahm ich mir die offene Tür eines Schlafzimmers vor, wo ich den inneren Knauf mit Vaseline versah und ohne das geringste Knarren die Tür zuzog.
Schließlich kehrte ich in Chucks Zimmer zurück – Margo war schon da –, und gemeinsam schlossen wir die Tür und vaselinierten Chucks Türknauf. Auch das Schiebefenster behandelten wir mit Vaseline, damit er es nicht aufbekam, wenn wir es nach unserem Abgang geschlossen hatten.
Margo sah auf die Uhr und hielt zwei Finger hoch. Wir warteten. Zwei Minuten lang sahen wir uns einfach nur an, und ich betrachtete das Blau ihrer Augen. Es war schön – in der Dunkelheit und der Stille, ohne dass ich etwas sagen konnte, mit dem ich den Augenblick verdarb, und diesmal sah auch sie mich an, als wäre da etwas, was sich anzusehen lohnte.
Irgendwann nickte Margo, und ich ging zu Chuck. Wie sie es mir vorher erklärt hatte, wickelte ich mir das T-Shirt um die Hand, beugte mich vor, legte — so sanft ich konnte — den Finger auf Chucks Stirn und wischte mit einem Ruck die Veet-Creme ab. Mit der Creme löste sich jedes noch so feine Härchen, das einst Chucks rechte Augenbraue gebildet hatte. Ich richtete mich auf, mit seiner Braue an meinem T-Shirt, als Chuck plötzlich die Augen aufschlug. Blitzschnell griff Margo nach der Decke und warf sie ihm über das Gesicht, und schon war die Ninjakriegerin zum Fenster hinaus. Ich folgte, so schnell ich konnte, während Chuck brüllte : »MAMA! PAPA! EINBRECHER!«
Wir haben doch nur eine Augenbraue mitgenommen, wollte ich einwenden, aber ich hielt den Mund und schwang die Füße zum Fenster hinaus. Um ein Haar wäre ich auf Margo gelandet, die gerade ein M auf die vinylverschalte Außenfassade sprayte, und dann packten wir unsere Schuhe und rannten, was das Zeug hielt, zum Wagen zurück. Als ich mich umsah, brannten alle Lichter im Haus, aber es war keiner draußen, was bestätigte, wie effektiv die Vaseline auf den Türknäufen war. Bis Mr. Parson ( oder war es Mrs.? ) die Vorhänge im Wohnzimmer zurückzog, rasten wir längst im Rückwärtsgang zur Princeton Street in Richtung Highway.
»Wow!«, rief ich. »Das war genial!«
»Hast du gesehen, wie er aussieht? Seine Visage ohne die Augenbraue? Er sieht aus, als ob er sich ständig wundert. Als ob er sagen wollte : ›Echt jetzt? Du meinst, ich hab nur eine Augenbraue?‹ Und die Wahl, vor der er jetzt steht : entweder die linke auch abrasieren, oder die rechte dazumalen. Ach, das gefällt mir. Und wie er nach seiner Mama geschrien hat, die alte Heulsuse.«
»Warte mal, was hast du eigentlich gegen ihn?«
»Ich habe nicht gesagt, dass ich was gegen ihn habe. Ich habe nur gesagt, dass er eine Heulsuse ist.«
»Aber du warst doch irgendwie mit ihm befreundet.« Hatte ich jedenfalls gedacht.
»Ach, na ja, ich war mit einer Menge Leute befreundet«, sagte sie. Margo lehnte sich zu mir rüber und legte den Kopf an meine knochige Schulter, so dass ihr Haar an meinem Hals kitzelte. »Ich bin müde.«
»Koffein«, sagte ich. Sie griff nach hinten und holte zwei Dosen Mountain Dew vom Rücksitz. Ich trank meinen in zwei Zügen aus.
»Jetzt fahren wir zu SeaWorld«, verkündete sie. »Teil elf.«
»Willst du Free Willy nachspielen oder so was?«
»Nein«, sagte sie. »Wir statten
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