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Margos Spuren

Margos Spuren

Titel: Margos Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green
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und ich habe nur eins gelernt, aber das ist manchmal ganz nützlich : der Taekwondo-Meister hat uns vorgemacht, wie man mit der bloßen Hand durch einen dicken Holzblock schlägt, und wir konnten es alle nicht fassen, und dann hat er uns erklärt, wenn du die Hand so bewegst, als würde sie durch den Block durchgehen, und wenn du daran glaubst, dass die Hand durch den Block durchgeht, dann geht sie auch durch den Block.«
    Ich will seine idiotische Logik anfechten, doch er ist schon losgerannt und saust wie ein Schatten an mir vorbei. Je näher er der Bretterwand kommt, desto schneller wird er, und dann springt er in der allerletzten Sekunde völlig angstfrei ab, dreht den Körper zur Seite – Schulter voraus, um den Aufprall abzufangen – und brettert mit vollem Karacho gegen die Wand. Irgendwie erwarte ich, dass er durch die Wand durchfliegt und nur ein Loch in Form seiner Silhouette hinterlässt, wie im Comic. Stattdessen prallt er von der Spanplatte ab und fliegt rückwärts auf den Hintern, auf den einzigen Grasfleck, der sich mitten in der Sandwüste bietet. Er rollt sich zur Seite und reibt sich die Schulter. »Das Ding ist gebrochen!«, verkündet er.
    Ich denke, dass er seine Schulter meint, und renne zu ihm, aber er steht auf, und dann sehe ich den benhohen Riss in der Spanplatte. Als ich dagegen trete, wird der Riss breiter, und dann schaffen Radar und ich es, die Finger in den Spalt zu stecken, und ziehen. Ich blinzle, damit mir der Schweiß nicht in die Augen läuft, und ziehe mit aller Kraft, bis die Spanplatte nachgibt und eine gezackte Öffnung freigibt. Radar und ich arbeiten schweigend weiter, bis er eine Pause einlegen muss und Ben für ihn einspringt. Endlich schaffen wir es, ein großes Stück Brett in den Laden hineinzutreten. Ich steige ein, mit den Füßen zuerst, und lande blindlings auf etwas, das sich wie ein Haufen Zettel anfühlt.
    Durch das Loch, das wir gemacht haben, fällt ein wenig Licht, aber ich kann die Dimensionen des Raums nicht ausmachen, auch nicht, ob es eine Decke gibt. Die Luft ist so stickig und heiß, dass zwischen Einatmen und Ausatmen kein Unterschied besteht.
    Ich drehe mich um und stoße mit dem Kinn gegen Bens Stirn. Unwillkürlich flüstere ich, obwohl es keinen Grund dazu gibt. »Hast du eine …«
    »Nein«, flüstert er, bevor ich zu Ende spreche. »Radar, hast du eine Taschenlampe dabei?«
    Ich höre, wie Radar durch das Loch steigt. »An meinem Schlüsselbund ist eine. Die macht aber nicht viel her.«
    Er knipst die Lampe an, und ich sehe immer noch nicht viel, aber ich merke, dass wir in einem großen Raum mit einem Labyrinth aus Metallregalen stehen. Die Zettel auf dem Boden stammen von einem alten Abreißkalender, dessen Seiten vergilbt und von Mäusen angenagt im ganzen Raum herumfliegen. Ich frage mich, ob es vielleicht mal eine Buchhandlung war, auch wenn in den Regalen seit Jahrzehnten nichts als Staub liegt. Wir gehen dicht hinter Radar her. Ich höre etwas über uns knarren, und wir bleiben stehen. Ich versuche die Panik runterzuschlucken. Ich kann Radar und Ben atmen hören, das Rascheln ihrer Schritte. Ich will hier raus, aber vielleicht hat das Knarren mit Margo zu tun. Vielleicht auch mit cracksüchtigen Spinnern. Oder organisierten Verbrechern.
    »Das ist die Bewegung des Gebäudes«, flüstert Radar, aber er klingt nicht so zuversichtlich wie sonst. Ich stehe da und kann mich nicht rühren. Nach einem Augenblick höre ich Bens Stimme. »Das letzte Mal, als ich solche Angst hatte, hab ich in die Hose gepinkelt.«
    »Das letzte Mal, als ich solche Angst hatte«, sagt Radar, »stand ich einem Lord der Finsternis gegenüber und musste die Welt zu einem sicheren Ort für Zauberer machen.«
    Zaghaft stimme ich ein. »Das letzte Mal, als ich solche Angst hatte, bin ich zu meiner Mutter ins Bett gekrochen.«
    Ben kichert. »Q, wenn ich du wäre, hätte ich jede Nacht solche Angst.«
    Mir ist nicht froh zumute, aber das Lachen macht den Raum weniger unheimlich, und wir fangen an uns umzusehen. Wir schreiten die Regalreihen ab, doch wir finden nichts außer ein paar Reader’s-Digest-Heften aus den siebziger Jahren. Nach einer Weile haben sich meine Augen an das Dunkel gewöhnt, und im grauen Licht gehen wir in unterschiedlichem Tempo in unterschiedliche Richtungen.
    »Keiner verlässt den Raum, bis wir alle den Raum verlassen«, flüstere ich, und sie flüstern okay . Ich erreiche eine Wand und finde den ersten Hinweis darauf, dass jemand hier gewesen

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