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Margos Spuren

Margos Spuren

Titel: Margos Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green
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ist, seitdem niemand mehr hier ist. Jemand hat ein halbkreisförmiges Loch in die Wand gebrochen. In orangener Sprühfarbe steht TROLLLOCH darüber, mit einem Pfeil, der sinnigerweise auf das Loch zeigt. »Leute.« Radar spricht so laut, dass der Bann einen Moment gebrochen ist. Ich gehe seiner Stimme nach und finde ihn an der gegenüberliegenden Wand, wo er mit der Taschenlampe auf ein weiteres Trollloch zeigt. Die Handschrift sieht nicht nach Margo aus, aber es ist schwer zu sagen. In Sprühfarbe kannte ich bis jetzt nur einen einzigen Buchstaben von ihr.
    Radar leuchtet in das Trollloch, und ich bücke mich und gehe voran. Der Raum auf der anderen Seite ist leer bis auf eine Teppichrolle in einer Ecke. Als der Lichtkegel über den Boden wandert, sehe ich Teppichkleberflecken auf dem Estrich. Gegenüber erkenne ich ein weiteres Loch in der Wand, diesmal ohne Aufschrift.
    Ich krieche durch das Loch in einen Raum mit Kleiderstangen an den fleckigen Wänden, rostfreier Stahl, anscheinend noch fest verankert. Hier ist es heller, und es dauert einen Moment, bis ich merke, dass die Decke Löcher hat – die Dachpappe hängt runter, und ich sehe Stellen, wo das Dach auf die Träger gesackt ist.
    »Ein Andenkenladen«, flüstert Ben vor mir.
    In der Mitte stehen fünf Vitrinen, die ein Fünfeck bilden. Das Glas, das den Nippes vor den Touristen geschützt hat, ist zum Großteil eingeschlagen, und in den Auslagen liegen Scherben. Von den Vitrinen schält sich die Farbe ab, merkwürdig schöne Muster, jeder gezackte graue Splitter ein Schneekristall des Verfalls.
    Seltsamerweise ist noch Ware da : Ein Mickey-Maus-Telefon, das mir vage bekannt vorkommt; mottenzerfressene, doch ordentlich zusammengelegte T-Shirts mit der Aufschrift SUNNY ORLANDO, von Glassplittern bedeckt. Unter einer der Vitrinen findet Radar eine Kiste mit Landkarten und alten Prospekten für Gator World und Crystal Gardens und andere Vergnügungsparks, die es längst nicht mehr gibt. Ben winkt mich rüber und zeigt schweigend auf einen kitschigen grünen Glasalligator, der einsam in einem Fach liegt, unter einer dicken Staubschicht. Das ist der Wert unserer Souvenirs, denke ich : Man will diesen Mist nicht mal verschenken.
    Wir kehren in den leeren Raum zurück und dann in den Raum mit den Bücherregalen, und schließlich steigen wir durch das letzte Trollloch. Der nächste Laden sieht aus wie ein Großraumbüro ohne Computer, und er wirkt, als wäre er in großer Eile verlassen worden — oder als hätte man die Angestellten einfach ins Weltall gebeamt oder so was. Zwanzig Schreibtische stehen in vier Reihen. Auf manchen liegen noch Kulis herum, und auf jedem Tisch ist eine dieser übergroßen Kalender-Schreibunterlagen. Jeder Kalender zeigt Februar 1986. Ben gibt einem Bürostuhl einen Stoß, und er dreht sich, rhythmisch quietschend. Neben einem der Tische stapeln sich Hunderte von Post-it-Blöcken mit dem Logo einer Martin Gale Mortgage Corp. zu einer wackeligen Pyramide. In offenen Kisten lagern dicke Papierstapel aus alten Punktmatrixdruckern, auf denen die Einnahmen und Ausgaben der Martin Gale Mortgage Corp. aufgelistet sind. Auf einem Tisch hat jemand mit den Broschüren für eine Neubausiedlung ein einstöckiges Kartenhaus gebaut. In der Hoffnung auf einen Hinweis sehe ich mir eine Broschüre an, doch mir fällt nichts auf.
    Radar geht die Papiere durch und flüstert : »Nichts nach 1986.« Ich nehme mir die Schreibtischschubladen vor. Q-Tips und Krawattennadeln. Kulis und Bleistifte in Zwölferpacks in billigen Kartons mit altmodischem Aufdruck. Taschentücher. Ein Paar Golfhandschuhe.
    »Seht ihr irgendwas, was darauf hinweist, dass jemand, sagen wir, in den letzten zwanzig Jahren hier gewesen ist?«, frage ich.
    »Nichts außer den Trolllöchern«, antwortet Ben. Hier ist es wie in einer Gruft. Verschwommene Erinnerungen, von einer Staubschicht bedeckt.
    »Warum hat sie uns hierhergelockt?«, fragt Radar. Inzwischen reden wir wieder laut.
    »Ich weiß nicht«, sage ich. Offensichtlich ist sie nicht hier.
    »Da sind ein paar Stellen, wo weniger Staub liegt«, sagt Radar. »In dem leeren Raum ist ein staubfreies Rechteck, als wäre da was wegbewegt worden. Aber ich weiß auch nicht.«
    »Und da ist frische Farbe an der Wand«, sagt Ben. Ben zeigt auf die Wand, und im Licht von Radars Taschenlampe sehe ich, dass eine Stelle mit weißer Grundierung übermalt ist. Als hätte jemand vorgehabt, den Laden zu renovieren, aber nach einer halben

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