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Margos Spuren

Margos Spuren

Titel: Margos Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green
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mir das Ergebnis ansah, konnte ich kein Muster erkennen. Die Punkte waren willkürlich verteilt, und es würde wahrscheinlich eine Woche dauern, bis ich alle abgeklappert hatte. Wieso hatte sie mir keinen konkreten Ort hinterlassen? Nur diese schrecklichen unheimlichen Hinweise. Andeutungen einer Tragödie. Aber keinen Ort . Nichts, das ich greifen konnte. Es war wie der Versuch, auf einen Kiesberg zu klettern.
     
    Von Ben hatte ich die Erlaubnis, mir am nächsten Tag den RHAPAW zu borgen, weil er mit Lacey und ihrem Jeep zum Schulball-Shopping verabredet war. Ausnahmsweise musste ich nicht die Zeit vor dem Musikraum absitzen – kaum hatte es geklingelt, rannte ich zum Parkplatz. Allerdings fehlte mir Bens Talent, den RHAPAW anzuwerfen, und so war ich, obwohl ich der Erste auf dem Schülerparkplatz war, der Letzte, der ihn verließ. Immerhin, am Ende knatterte der Motor, und dann war ich auf dem Weg nach Grovepoint Acres.
    Ich folgte dem Colonial Drive raus der Stadt. Ich fuhr langsam, weil ich nach weiteren Geistersiedlungen Ausschau hielt, die vielleicht im Internet nicht auftauchten. Hinter mir bildete sich eine Schlange, und es machte mich nervös, dass ich den Verkehr lahmlegte. Gleichzeitig wunderte ich mich, dass ich mir noch wegen so was Gedanken machen konnte – ob der dicke Geländewagen, der an meiner Stoßstange klebte, mich für einen Sonntagsfahrer hielt. Ich wünschte, Margos Verschwinden hätte mich verändert; aber so war es nicht.
    Während sich die lange Reihe der Autos wie ein unfreiwilliger Trauerzug hinter mir herschob, fing ich auf einmal an, laut mit ihr zu reden. Ich werde die Saite spielen. Ich werde dein Vertrauen nicht enttäuschen. Ich werde dich finden.
     
    Mit ihr zu reden beruhigte mich seltsamerweise. Es hielt mich davon ab, mir die Möglichkeiten auszumalen. Wieder kam ich an das marode Schild von Grovepoint Acres. Ich konnte buchstäblich den Seufzer der Erleichterung im Stau hinter mir hören, als ich in die stillgelegte Asphaltstraße abbog. Sie wirkte wie eine Einfahrt ohne Haus. Ich ließ den RHAPAW im Leerlauf und stieg aus. Aus der Nähe sah ich, dass Grovepoint Acres weiter ausgebaut war, als ich zunächst gedacht hatte. Zwei Schotterpisten waren angelegt worden, die jeweils an einem Kreisel endeten, auch wenn sie inzwischen so überwuchert waren, dass man die Umrisse kaum erkannte. Als ich beide Straßen abschritt, fühlte ich bei jedem Atemzug die Hitze in der Nase. In der sengenden Sonne fiel mir jede Bewegung schwer, aber ich dachte nur an die schöne, zynische Wahrheit : In dieser Hitze stank der Tod, aber in Grovepoint Acres roch es nach nichts als heißer Luft und Autoabgasen – menschliche Ausdünstungen, die von der Luftfeuchtigkeit zu Boden gedrückt wurden.
    Ich sah mich nach Spuren um : Fußabdrücke, Zeichen im Sand oder sonst ein Andenken. Doch es wirkte, als wäre ich seit Jahren der erste Mensch, der einen Fuß auf diese namenlosen Straßen setzte. Der Boden war eben, und noch war nicht viel Natur nachgewachsen, so dass ich weit in jede Richtung blicken konnte. Kein Zelt. Kein Lagerfeuer. Keine Margo.
     
    Ich stieg wieder ins Auto und fuhr zur I-4 und dann nach Nordosten zu einem Ort namens Holly Meadows. Dreimal fuhr ich vorbei, bevor ich Holly Meadows endlich fand. Die Gegend bestand aus Weideland und Eichenwäldchen, und Holly Meadows, dessen Einfahrt nicht beschildert war, unterschied sich kaum vom Rest der Landschaft. Als ich die Schotterpiste endlich fand und den Eichen- und Pinienhain am Straßenrand hinter mir hatte, wirkte alles genauso öde und trostlos wie in Grovepoint Acres. Die Straße verfiel allmählich zu staubigem Erdreich. Andere Straßen gab es nicht, soweit ich sehen konnte. Aber als ich das Terrain erkundete, entdeckte ich ein paar mit Neonfarbe markierte Holzpfähle; anscheinend hatten sie hier die Grundstücke abgesteckt. Obwohl ich nichts Verdächtiges riechen oder sehen konnte, stieg plötzlich eine verschwommene Angst in mir auf. Ich verstand nicht, woher sie kam, aber dann sah ich es : Am Ende des gerodeten Geländes hatten sie eine einzelne Eiche stehen lassen. Der knorrige Baum mit den knorrigen Ästen sah genauso aus wie die Eiche im Park, unter der wir Robert Joyner gefunden hatten. Die Ähnlichkeit war so frappierend, dass ich plötzlich fest davon überzeugt war, sie würde dort sitzen, auf der anderen Seite an den Stamm gelehnt.
    Zum ersten Mal musste ich sie mir vorstellen : Margo Roth Spiegelman,

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