Margos Spuren
zusammengesunken unter einem Baum, mit leerem Blick und schwarzem Blut, das ihr aus dem Mund rann, der Anblick grotesk und aufgedunsen, weil ich zu lange gebraucht hatte, um sie zu finden. Sie hatte mir vertraut. Sie hatte mir ihre letzte Nacht anvertraut. Doch ich hatte sie enttäuscht. Und obwohl die Luft hier nach nichts schmeckte als nach Später-könnte-es-Regen-geben, war ich ganz sicher, dass ich sie gefunden hatte.
Aber so war es nicht. Es war nur ein Baum, der einsam im silbergrauen Brachland stand. Ich ließ mich an den Stamm sinken und wartete, bis ich wieder Luft bekam. Plötzlich stieg Wut in mir hoch, dass ich all das allein tun musste. Richtige Wut. Wenn sie dachte, Robert Joyner hätte mich darauf vorbereitet, lag sie falsch. Ich hatte Robert Joyner nicht gekannt. Ich hatte Robert Joyner nicht geliebt.
Ich schlug mit den Fäusten auf die Erde, immer wieder, und der Sand flog auf, bis ich auf die bloßen Wurzeln der Eiche schlug, doch ich schlug immer weiter, bis der Schmerz durch meine Hände in die Arme schoss. Ich hatte noch nicht um Margo geweint, aber jetzt tat ich es endlich, während ich auf den Boden einschlug und schrie, weil niemand hier war, der mich hören konnte : Ich vermisse sie! Ich vermisse sie! Ich vermisse sie! Ich vermisse dich!
Als meine Arme müde wurden und meine Tränen trockneten, blieb ich einfach sitzen und dachte an sie, bis das Licht grau wurde.
11
Als ich am nächsten Morgen zur Schule kam, stand Ben im Schatten eines Baums mit tief herabhängenden Ästen vor dem Musikraum und unterhielt sich mit Lacey, Radar und Angela. Es war schwer, ihnen zuzuhören, wie sie über den Ball redeten und die Fehde zwischen Lacey und Becca und so weiter. Ungeduldig wartete ich auf eine Gelegenheit zu erzählen, was ich gesehen hatte, aber dann, als die Gelegenheit kam und ich sagte : »Ich habe mich ziemlich lange bei zwei Geistersiedlungen umgesehen, aber nicht viel gefunden«, stellte ich fest, dass es eigentlich nichts Neues zu berichten gab.
Keiner schien sonderlich besorgt zu sein, außer Lacey. Als ich von den Geistersiedlungen erzählte, schüttelte sie betroffen den Kopf, und dann sagte sie : »Ich habe gestern Abend im Internet gelesen, dass Leute mit Selbstmordabsichten ihre Beziehungen zu Leuten beenden, auf die sie sauer sind. Und sie verschenken ihre Sachen. Margo hat mir letzte Woche fünf Paar Jeans geschenkt und gesagt, mir würden sie besser stehen, was überhaupt nicht stimmt, weil sie viel mehr Kurven hat.« Ich mochte Lacey, aber ich sah Margos Standpunkt : Ich wusste, dass sie sich untergraben fühlte.
Bei der Erinnerung musste Lacey weinen, und Ben legte den Arm um sie, und sie lehnte den Kopf an seine Schulter, was schwierig war, weil sie mit ihren Absätzen größer war als Ben.
»Lacey, wir müssen rausfinden, wo sie ist. Sprich mit euren Freunden. Hat Margo je von falschen Städten gesprochen? Hat sie über irgendeinen bestimmten Ort gesprochen? Gab es irgendwo eine Neubausiedlung, zu der sie einen Bezug hatte?« Lacey vergrub das Gesicht an Bens Schulter und zuckte die Achseln.
»Hey, Alter, lass sie in Ruhe«, sagte Ben. Ich seufzte, doch ich schwieg.
»Ich kümmere mich um alles, was im Netz steht«, sagte Radar. »Aber seit sie weg ist, hat sie sich nicht mehr mit ihrem Benutzernamen bei Omnictionary eingeloggt.«
Und dann redeten sie wieder vom Schulball. Als Lacey sich aufrichtete, wirkte sie immer noch traurig und durcheinander, aber sie versuchte zu lächeln, als Radar und Ben Anekdoten vom Kauf der Anstecksträußchen für den Ball erzählten.
Der Tag verging wie immer – in Zeitlupe, mit tausend flehentlichen Blicken zur Uhr. Aber diesmal war alles noch viel unerträglicher, denn jede Minute, die ich in der Schule verschwendete, war eine weitere Minute, in der ich sie nicht fand.
Die einzig halbwegs interessante Stunde war Englisch, doch Dr. Holden ruinierte Moby Dick für mich, weil sie fälschlich annahm, wir hätten es gelesen, und von Kapitän Ahabs Besessenheit sprach, den weißen Wal zu jagen und zu töten. Trotzdem war es schön, ihr zuzuhören, der Leidenschaft, mit der sie sprach. »Ahab ist ein Wahnsinniger, der gegen sein Schicksal aufbegehrt. Habt ihr im ganzen Roman eine einzige Stelle gefunden, wo Ahab irgendetwas anderes will? Nein. Er ist ein Besessener. Und weil er der Kapitän der Pequod ist, kann ihn keiner aufhalten. Falls ihr euch entscheidet, euren Aufsatz über Ahab zu schreiben, könntet ihr argumentieren, dass
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