Margos Spuren
Ohr hatte, hörte ich, wie er mit Ben sprach. Ich legte einfach auf.
Im Internet suchte ich die Route von Orlando nach Agloe heraus, aber der Routenplaner hatte noch nie von Agloe gehört, und so gab ich stattdessen Roscoe ein. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von einhundert Stundenkilometern dauerte die Reise laut Computer neunzehn Stunden und vier Minuten. Es war Viertel nach zwei. Ich hatte einundzwanzig Stunden und fünfundvierzig Minuten, um bis nach Agloe zu kommen. Ich druckte die Route aus, griff nach meinem Autoschlüssel und schloss die Haustür hinter mir ab.
»Es dauert neunzehn Stunden und vier Minuten«, sagte ich ins Telefon. Ich hatte Radar angerufen, doch Ben war dran.
»Was willst du machen, hinfliegen?«, fragte er.
»Nein, ich habe nicht genug Geld, außerdem sind es von New York City noch mal rund acht Stunden. Ich fahre mit dem Auto.«
Plötzlich war Radar wieder dran. »Wie lange dauert es?«
»Neunzehn Stunden und vier Minuten.«
»Sagt wer?«
»Google Maps.«
»Quatsch«, sagte Radar. »Diese Routenplaner berechnen das Verkehrsaufkommen nicht. Ich ruf dich zurück. Und beeil dich. Du müsstest längst hier in der Schlange stehen.«
»Ich komme nicht. Kann keine Zeit verschwenden«, sagte ich, aber ich redete mit der Luft. Eine Minute später rief Radar zurück. »Bei durchschnittlich hundert Sachen, ohne anzuhalten, und bei normalem Verkehrsaufkommen brauchst du dreiundzwanzig Stunden und neun Minuten. Du kommst kurz nach eins an, das heißt, du musst Zeit gut machen, wenn du kannst.«
»Was? Aber der …«
Radar sagte : »Ich mein das jetzt nicht als Vorwurf, aber vielleicht sollte in diesem speziellen Fall die Person, die immer zu spät ist, auf die Person, die immer pünktlich ist, hören. Außerdem musst du wenigstens eine Sekunde hierherkommen, sonst kriegen deine Eltern einen Herzinfarkt, wenn dein Name aufgerufen wird und du nicht auftauchst. Außerdem, nicht dass das der wichtigste Aspekt ist, aber – du hast unser Bier im Kofferraum.«
»Ich habe keine Zeit«, sagte ich.
Ben mischte sich ein. »Sei keine Arschgeige. Hierher brauchst du nur fünf Minuten.«
»Okay, okay.« Ich bog an der roten Ampel rechts ab und trat aufs Gaspedal – der Ford zog besser als Mamas Chrysler, wenn auch nur minimal. Nach drei Minuten stand ich auf dem Parkplatz der Turnhalle. Ich ließ den Wagen in der Mitte stehen und sprang heraus. Als ich zur Turnhalle rannte, kamen mir drei Personen in Talaren entgegen. Ich sah Radars dürre Beine, als sein Talar aufflog, und daneben Bens Turnschuhe ohne Socken. Lacey war direkt hinter ihnen.
»Ihr holt das Bier«, rief ich im Vorbeirennen. »Ich muss mit meinen Eltern reden.«
Die Familien der Abiturienten hatten sich auf der Tribüne verteilt, und ich musste ein paarmal auf dem Basketballfeld hin und her rennen, bevor ich meine Eltern in der Mitte der Sitzreihen entdeckte. Sie winkten mir zu. Ich rannte, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf und war außer Atem, als ich mich zu ihnen kniete. »Also [keuch], ich kann nicht [keuch] zur Zeugnisverleihung kommen, weil ich [keuch], glaube ich, Margo gefunden habe, und [keuch] ich muss weg, aber ich hab mein Handy dabei [keuch], und bitte seid nicht sauer, und noch mal danke für das Auto.«
Meine Mutter legte die Hände um mein Handgelenk und sagte : »Wie bitte? Quentin, wovon redest du? Immer langsam.«
»Ich fahre nach Agloe in New York, und ich muss los, jetzt sofort . Das ist alles. Also, ich muss weg. Ich hab keine Zeit. Aber ich hab mein Handy dabei. Okay. Ich hab euch lieb.«
Ich musste mich aus ihrem Griff losreißen. Bevor sie irgendwas sagen konnten, war ich die Treppe hinunter und lief hinaus, über den Parkplatz zu meinem Kleinbus. Ich saß schon am Steuer, legte den Gang ein und fuhr los, als ich den Kopf drehte und Ben auf dem Beifahrersitz sah.
»Nimm das Bier und steig aus!«, rief ich.
»Wir kommen mit«, entgegnete er. »Du würdest einschlafen, wenn du versuchst allein so weit zu fahren.«
Ich drehte mich um. Lacey und Radar saßen auf dem Rücksitz, beide mit dem Telefon am Ohr. »Muss mit meinen Eltern reden«, sagte Lacey zu mir, indem sie den Hörer zuhielt. »Auf geht’s, Q. Los los los los los los.«
Teil 3
Das Gefährt
Erste Stunde
Es dauert eine Weile, bis jeder seinen Eltern beigebracht hat, dass wir 1. die Zeugnisverleihung schwänzen und 2. nach New York fahren, um uns 3. einen Ort anzusehen, der möglicherweise nicht
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