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Margos Spuren

Margos Spuren

Titel: Margos Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green
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Chrysler fährst«, erklärte Mama. Die beiden strahlten – sichtlich überzeugt, dass sie das Transportmittel meiner Träume aufgetan hatten. »Jetzt kannst du alle deine Freunde herumkutschieren«, sagte mein Vater. Nur zur Erinnerung : Diese Leute waren auf die Analyse und das Verständnis der Teenagerpsyche spezialisiert.
    »Also«, sagte mein Vater, »wir müssen los, wenn wir noch gute Plätze kriegen wollen.«
    Ich hatte weder geduscht noch mich angezogen – auch wenn anziehen vielleicht der falsche Ausdruck war. »Ich muss erst um halb eins da sein«, sagte ich, »und ich muss mich noch … fertig machen.«
    Mein Vater sah mich enttäuscht an. »Wir hätten wirklich gerne gute Plätze, damit ich Fotos …«
    »Jetzt kann ich doch SELBST fahren!«, unterbrach ich ihn. »Ich habe EIN EIGENES AUTO.« Ich strahlte überzeugend.
    »Genau!«, sagte meine Mutter aufgeregt. Und ganz ehrlich – ein Auto war ein Auto. Im Vergleich zum Kleinbus meiner Mutter war mein eigener Kleinbus ein großer Fortschritt.
    Ich setzte mich an den Computer und berichtete Radar und Lacey ( Ben war nicht online ) von meinem neuen Wagen.
     
    OMNICTIONARIAN96 : supersache. kann ich dir nachher die kühlbox in den kofferraum stellen? muss meine eltern zur abschlussfeier fahren und will nicht, dass sie was mitkriegen.
    QTHERESURRECTION : klar, kofferraum ist offen. was ist drin?
    OMNICTIONARIAN96 : da auf meiner party keiner getrunken hat, sind 212 bier übrig … wir nehmen sie heute abend mit zu laceys party.
    QTHERESURRECTION : 212 bier?
    OMNICTIONARIAN96 : große kühlbox.
     
    Dann war auch Ben online und BRÜLLTE, er hätte schon geduscht und wäre nackig und müsste nur noch den Hut und den Talar anziehen. Wir mailten noch ein paar Kommentare zu unserem nackigen Auftritt hin und her. Als sich alle ausgeloggt hatten, stellte ich mich unter die Dusche, legte den Kopf in den Nacken und ließ mir das Wasser ins Gesicht trommeln. Und während der Wasserstrahl auf mich niederrauschte, ließ ich meine Gedanken wandern. New York oder Kalifornien? Chicago oder Washington? Jetzt konnte auch ich einfach losfahren, dachte ich. Ich hatte ein Auto, genau wie sie. Ich könnte die fünf Orte auf der Karte abklappern, und selbst wenn ich sie nicht fand, wäre es aufregender als wieder ein drückend heißer Sommer in Orlando. Aber, nein. Es war wie bei dem Einbruch in SeaWorld. Man brauchte einen guten Plan, und den führte man dann aus, und dann … nichts. Dann ist man in SeaWorld, nur dass es dunkel ist. Sie hatte es selbst gesagt : »Der Reiz ist nicht, am Ziel zu sein. Die Ausführung ist nie so aufregend wie das Planen.«
    Und dann dachte ich weiter, während ich mit dem Gesicht unter dem Duschkopf stand : das Planen. Sie sitzt mit ihrem kleinen schwarzen Buch in der leeren Ladenzeile und schmiedet Pläne. Vielleicht plant sie eine Reise, und sie denkt sich anhand der Karte die Route aus. Sie liest Walt Whitman und unterstreicht »Ich wandere auf einer ewigen Reise«, weil sie vom Reisen träumt; weil sie Reisen plant.
    Aber tut sie es auch gerne? Nein. Margo kennt das Geheimnis des Aufbruchs, das Geheimnis, hinter das ich gerade erst gekommen bin : Es fühlt sich nur gut an, wenn man etwas Wichtiges hinter sich lässt. Wenn man sein Leben an der Wurzel rausreißt. Doch dazu muss dein Leben erst mal Wurzeln haben.
    Als sie ging, ging sie endgültig. Aber ich glaubte nicht, dass sie ewig reisen wollte. Sie hatte ein Ziel, da war ich sicher – einen Ort, an dem sie sich häuslich einrichten würde, bis sie Wurzeln schlug, damit der nächste Aufbruch so berauschend sein würde wie der letzte. Irgendwo auf der Welt, weit weg von hier, gibt es einen Winkel, wo keiner weiß, was »Margo Roth Spiegelman« bedeutet. Und dort sitzt Margo jetzt und schreibt in ihr kleines schwarzes Buch.
    Das Wasser wurde kalt. Ohne mich abzuseifen, stieg ich aus der Dusche, schlang mir ein Handtuch um die Hüften und setzte mich an den Computer.
    Ich kramte Radars E-Mail mit dem Omnictionary-Programm heraus und lud mir das Plug-in herunter. Zuerst gab ich eine Postleitzahl der Chicagoer Innenstadt ein, klickte »Ort« und legte einen Radius von zwanzig Kilometern fest. Es gab hundert Treffer, von Navy Pier bis Deerfield. Der erste Satz jedes Artikels tauchte auf dem Bildschirm auf, und in fünf Minuten hatte ich sie alle gelesen. Nichts Interessantes. Dann versuchte ich es mit einer Postleitzahl in der Nähe des Catskill Nationalparks. Diesmal gab

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