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Maria, ihm schmeckts nicht!

Maria, ihm schmeckts nicht!

Titel: Maria, ihm schmeckts nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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der Lage, einen anständigen
    Kaffee zu machen, und die meisten Menschen, die
    den so genannten Bürokaffee trinken, werden davon
    mittelfristig krank, weil er wie Asphalt im Magen
    klebt, meistens auch so schmeckt und darüber
    hinaus dazu führt, dass Angestellte übel schwitzen
    und aus dem Mund riechen wie Moorleichen. Den-
    noch: Dieser Filterkaffee war nicht so schlimm,
    solange es ihn noch gab, denn etwas viel Schlim-
    meres ist an seine Stelle getreten: Latte Macchiato.
    Entkoffeinierter Espresso. Cappuccino mit fettarmer Milch.
    Schuld daran sind aber nicht die Italiener, auch
    wenn die Namen dieser Getränke darauf schließen
    lassen, sondern – natürlich – irgendwelche Amerika-
    ner, möglicherweise studentische Bill-Gates-artige
    Kumpeltypen, die auch noch glauben, sie hätten mit
    ihrer Brühe der Menschheit ein ähnliches Geschenk
    gemacht wie die Teflonpfanne oder den Zauberwürfel.
    Den Abstieg des Kaffees haben sie paradoxerweise
    damit besiegelt, dass sie ihn sich immer weiter haben ausbreiten lassen, und zwar in Gestalt von jenen
    Kaffeebuden, die in Großstädten normalerweise
    Chicago Coffee Corporation oder so ähnlich heißen.
    Dort gibt’s zwar gar keinen richtigen Kaffee mehr,
    sondern Stardust con low-fat latte decaf medium size oder anderen Scheiß in Pappbechern. Es ist übrigens nicht so, dass das Zeug nicht schmeckt, es ist nur
    irgendwie kein Kaffee. Wer mal einen bei Nonna
    Anna oder Daniele getrunken hat, weiß Qualität zu
    schätzen.
    Die Globalisierung von Kaffee führt dazu, dass
    man nicht mehr richtig unterscheiden kann, wo in
    der Welt man ist, weil die Welt überall gleich
    schmeckt. Manchmal gibt es was zu essen in diesen
    Filialen der Weltverschwörung für die Erniedrigung
    des Geschmacks. Wrapped tuna burritos zum Beispiel oder fresh french charmin rolls. Ein Wurstbrot gibt es leider nicht.
    Aber nicht nur das Produkt ist ziemlich runterge-
    kommen, sondern auch die Darreichungsform. Worin
    besteht der Fortschritt der Menschheit, wenn sich
    Erwachsene so weit zurückentwickeln, dass sie frei-
    willig ein Getränk in der Hand halten, das einen
    Plastikdeckel mit einer Art Schnabelöffnung besitzt, aus der sie saugen können, ohne sich zu bekleckern?
    Diese Trinkgewohnheiten sollte man spätestens hin-
    ter sich haben, wenn man mit eigenem Geld bezah-
    len kann, also etwa mit sechs Jahren. Dennoch gibt es unzählige urbane Menschen, die sich keineswegs
    albern damit fühlen, einen Pappbecher mit Globa-
    lisierungs-Saugekaffee und eine Tüte Backtriebmittel in Gestalt von Heidelbeermuff ins mit sich herum-zuschleppen, obwohl Pappbecher etwas für Kinder-
    geburtstage sind. Wein trinkt man doch auch aus
    einem Glas. Ein noch so kleiner Kaffee hat eine dick-wandige Tasse verdient, das ist mehr als nur eine
    Frage der Ehre, nämlich eine des guten Geschmacks
    und des Stils.
    Bei Daniele bekommen wir unsere Dosis in kleinen
    dicken Tässchen. Antonio schüttet so viel Zucker
    hinein, dass sein Espresso sich in eine gesättigte
    Lösung verwandelt. Ich hingegen begnüge mich mit
    einem Löffel. Ich rühre auch gerne damit in meiner
    Tasse, das hat etwas Meditatives, finde ich. Antonio fragt heute nicht, wo wir stehen geblieben sind. Er beginnt seinen Bericht in dem Augenblick, da der
    Minutenzeiger der großen Cinzano-Uhr an der Wand im Café Montefiore auf 11.30 Uhr umspringt. Klack.

    Als Antonio am 2. Mai in Osnabrück ankam, servier-
    te ihm niemand zur Begrüßung einen Espresso. Es
    sagte auch keiner »Guten Tag«. Am Bahnhof stand
    ein Bus bereit, der die Fremdarbeiter zu einer Wohn-barracke brachte, in der Antonio der alphabetischen Nähe ihrer Nachnamen wegen mit zwei Männern aus
    Spanien und einem Portugiesen in ein Viererzimmer
    gesteckt wurde, das gerade mal zwei Hochbetten,
    vier schmalen Spinden und einem Tisch mit zwei
    Stühlen Platz bot. Die beiden Stühle wurden sogleich von den Spaniern okkupiert, während der Portugiese
    und Antonio den halben Tag hindurch mit ihren
    Koffern auf dem Bett saßen und schweigend dabei
    zusahen, wie die Spanier Karten spielten.
    Die Arbeit überforderte Antonio nicht, mehr noch,
    er hatte den Eindruck, dass er in dem Karosserie-
    werk im Wesentlichen Aufgaben versah, auf die die
    deutschen Arbeiter keine Lust hatten. Seine Qualifi-kationen wurden weder gebraucht noch zur Kennt-
    nis genommen. Auch sprach man ihn nicht an, so
    dass er stundenlang schweigend vor sich hin wer-
    keln konnte und dabei an Amerika dachte.

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