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Maria, ihm schmeckts nicht!

Maria, ihm schmeckts nicht!

Titel: Maria, ihm schmeckts nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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hatte den
    Brief wohlweislich nicht zu sich nach Hause schicken lassen, sondern zu Clara, von der er wusste, dass sie dem Absender des Briefes keine Beachtung schenken
    würde.
    Selbst wenn sie verstanden hätte, was Auslands-
    dienst bedeutete, hätte sie es niemandem erzählen
    können, den sie beide kannten.
    In der letzten Aprilwoche absolvierte er seine Prü-
    fungen mit Auszeichnung. Noch am selben Abend
    packte er einen kleinen Koffer, den er sich von
    Baffone geliehen hatte. Dem hatte er erzählt, dass er nun öfter nach Rom fahren müsse, um dort auf die
    technische Oberschule zu gehen. Er traute sich nicht, dem Freund die Wahrheit zu sagen, schwor sich
    jedoch, ihm den Koffer mit der Post zurückzu-
    schicken.
    »Warum packst du deine Sachen in den Koffer?«,
    fragte ihn Maria, die im Türrahmen stand und ihm
    zusah, wie er ohne Hast, aber mit bestimmten Hand-
    griffen Baffones Koffer belud.
    »Ich muss fort«, sagte er knapp, weil er fühlte, dass jede Erklärung ihr Angst gemacht hätte.
    »Wohin?«
    »Fort. Ich muss gehen.«
    »Warum?«
    »Wohin? Warum? Du stellst zu viele Fragen.
    Manchmal muss ein Mann eben gehen. Männer sind
    so.«
    »Papa nicht. Der geht jeden Tag in die Bank.«
    Maria glaubte wie alle Kinder der Marcipanes, bis
    auf Raffaele und Antonio, dass Calogero hinter
    einem Bankschalter stand, und war deshalb sehr
    stolz auf ihn. Niemand hatte ihr bisher die Wahrheit gesagt, nämlich dass er bloß der Hausmeister bei der Banco di Napoli war.
    »Papa ist auch weggegangen, nämlich in den Krieg.
    Da warst du noch gar nicht auf der Welt.«
    »Gehst du jetzt auch in den Krieg?«
    »So ähnlich.«
    Maria lief auf ihn zu und hängte sich an sein Bein, Sie weinte und schluchzte. Da setzte er sich auf sein Bett und nahm sie in den Arm. Er streichelte ihr den Kopf, bis sie endlich aufhörte.
    »Versprich mir, dass du nicht weggehst.«
    »Das kann ich nicht. Aber ich verspreche dir, dass
    ich bald wiederkomme. Wenn es mir dort nicht ge-
    fällt, wo ich hinfahre, dann bin ich wie der Blitz
    wieder zurück.«
    Sie sagte, sie sei sehr sicher, dass es ihm nicht
    gefalle, und er dachte das Gegenteil. Er wusste, dass er ihr falsche Hoffnungen machte, denn er fühlte,
    dass er es überall besser antreffen würde als hier.
    Und dass er dies niemals sagen durfte.
    Am nächsten Morgen stand er auf, putzte sich die
    Zähne und verließ das Haus wie immer. Den Koffer
    hatte er bereits in der Nacht nach unten gebracht
    und im Keller hinter ein paar alten Obstkisten
    deponiert, damit er keinen Verdacht erregte. Er hatte sogar darüber nachgegrübelt, ob es nicht besser
    wäre, den Koffer gleich ein paar Straßen weiter zu
    verstecken, falls seine Mutter durchs Fenster sah,
    doch das schien ihm zu gefährlich. Was, wenn
    irgendjemand seinen oder vielmehr Baffones Koffer
    fand und mitnahm? Dann wäre seine Flucht schon
    gescheitert, bevor sie überhaupt begonnen hatte.
    Antonio nahm nicht den Bus nach Frosolone um
    6.10 Uhr. Er kauerte hinter der Bar am Halteplatz und kletterte um 7.20 Uhr in den Bus nach Rom. Er hatte sich – natürlich in Frosolone und nicht in Campobasso – die Bus- und Zugverbindungen herausschreiben
    lassen und auch die Fahrkarte schon gekauft. Tage-
    lang hatte er das Billett am Körper getragen und alle Stunden nachgesehen, ob es noch in seiner Hosentasche steckte.
    Von Rom aus fuhr er nach Verona, wo er am Abend
    eintraf. Hier wurden die Papiere der Reisenden
    überprüft. Niemandem fiel auf, dass die Tinte unter Antonios Ausbildungsschein kaum getrocknet und
    das Datum der Ausstellung gerade zwei Tage alt
    war, er also zum Zeitpunkt seiner Bewerbung den
    Schein noch nicht besessen haben konnte.
    Des Nachts konnte Antonio vor Aufregung nicht
    schlafen und stieg übermüdet in den Zug. In seinem
    Abteil reisten ein Elektriker aus Florenz, ein
    Schlosser aus Pisa, zwei Schlosser aus Bologna und
    er, Antonio Marcipane, Schlosser und Dreher mit einem Diplom in technischem Zeichnen und allerhand Englischkenntnissen. In Baffones Koffer lagen
    zwei Hemden, zwei paar Schuhe, dazu Strümpfe,
    Seife, eine Hose, ein Wecker, Unterwäsche für eine
    Woche, ein Tex-Heft, ein Bild von New York. Nicht
    genug für eine Existenz. Aber reichlich für einen
    Neuanfang, wenn man den Apfel, die Milch und den
    sauberen neuen Zehnmarkschein mitrechnete, die
    man den Männern in einer Papiertüte mitgegeben
    hatte. Am 1. Mai 1961 überquerte er in den Mittags-
    stunden die Grenze nach Deutschland. Er sah

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