Maria, Mord und Mandelplätzchen
ich alle Telefonbücher. Beim siebten Telefonbuch wurde ich fündig. Auf Seite 24 . Ich schnappte das Los und rannte los. Noch 4 Minuten und 27 Sekunden bis zum Ende des Gewinnspiels. In 4 Minuten und 27 Sekunden würde ich um 100 000 Euro reicher sein!
23
24 . Dezember, 12 Uhr, 2 Minuten und 18 Sekunden. Atemlos trommelte ich gegen die Eingangstür von
Radio Isaria.
Jemand hängte ein Schild in die gläserne Tür. GEWINNSPIEL BEENDET . FRÖHLICHE WEIHNACHTEN !
Ich wedelte aufgeregt mit meinem 100 000 -Euro-Los, aber der Mann schüttelte nur bedauernd den Kopf, deutete auf das Schild und seine Armbanduhr und zog den Vorhang zu. Ich lehnte mich erschöpft gegen die Mauer und schloss die Augen.
Alles umsonst! Alles weg! 100 000 Euro einfach weg! Keine Geschenke, nichts, niente, nada! Mein Traum von Weihnachten unter Palmen schmolz dahin wie die Schneeflocken auf dem Asphalt.
Ich stellte meinen Mantelkragen hoch und ging langsam Richtung Marienplatz. Es war deprimierend. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt, war die Stadt plötzlich leer und einsam.
»Fröhliche Weihnachten!«, sagte plötzlich jemand hinter mir. Die Stimme kam mir irgendwie bekannt vor. Ich drehte mich langsam um.
24
Es war der Taschendieb! Er hielt meine Tasche hoch und grinste unbeholfen. Neben ihm stand mein Freund Florian. Ich sah zwischen den beiden hin und her. »Was geht hier ab? Ich denke, du bist in New York!«
Florian lachte. »Quatsch, ich war noch niemals in New York. Das war mein Weihnachtsgeschenk: ein personalisierter Live-Krimi! Ich dachte, dir macht so etwas Spaß. Weil du doch so auf Krimis stehst. Ich wollte dir nicht schon wieder eine Kiste mit Büchern schenken, du hast ja sowieso keinen Platz mehr in deinen Regalen. Und da habe ich jemanden vom Studentenservice engagiert, der dich überfallen sollte. Damit du selbst mal einen Krimi erlebst. War doch lustig, oder? Und dann noch der Hauptgewinn bei der Weihnachts-Tombola. 100 000 Euro! Der absolute Wahnsinn!«
Ich könnte ihn umbringen.
In dem Moment piepte Florians Handy. Das Display leuchtete auf. Er wurde kreidebleich.
+++ WEIHNACHTS - TOMBOLA VON RADIO ISARIA : HAUPTGEWINN WURDE NICHT ABGEHOLT – WIR SPENDEN 100 000 EURO FÜR EIN CHARITY - PROJEKT ! +++
»Du hast doch das Los noch rechtzeitig eingelöst, oder etwa nicht?«
Ich schloss die Augen und küsste ihm eine Schneeflocke von der Nasenspitze. Weihnachten ist schließlich das Fest der Liebe. Oder?
Oder
nicht?
Autorenvita
Sabine Thomas wurde sehr bekannt als TV -Moderatorin (TELE 5 u.a.) Sie hat einen preisgekrönten Roman (
Yaizas Insel
) und zahlreiche Kurzkrimis in Anthologien sowie Bildtextbände über Popstars wie Abba, Robbie Williams u.a. veröffentlicht, ist Herausgeberin von Krimi-Anthologien und schrieb Drehbücher für eine ARD -Krimiserie. Seit 2003 veranstaltet sie jährlich das Krimifestival München.
Mehr unter: www.sabinethomas.de
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Volker Klüpfel/Michael Kobr
Stille Nacht, Kluftingers Nacht
Leutkirch
Das Gehen fiel ihm schwer.
Tief sackten seine Stiefel bei jedem Schritt in den schweren Schnee. Schon nach wenigen Metern ging sein Atem schnell, und im Mondlicht trug er ihn wie eine milchige Fahne vor sich her. Er blieb stehen und wischte sich mit seinen Handschuhen den Schweiß von der Stirn. Die Sonne war bereits seit über einer Stunde untergegangen, aber der Mond schien so hell, dass die Bäume Schatten warfen. Jetzt, da er stehen geblieben war, fiel ihm auch die Stille auf. Nur sein Keuchen war zu hören, alle anderen Geräusche schien der Schnee zu verschlucken. Er begann zu frösteln und setzte sich wieder in Bewegung. Noch etwa eine Minute stapfte er durch die Nacht, dann hielt er abrupt inne. Er hatte den Schatten gesehen und erkannt, dass er am Ziel war. Sein Opfer stand vielleicht noch fünfzig Meter von ihm entfernt, aber es gab keinen Zweifel, dass es der richtige war. Er sah sich um, um sicherzugehen, dass ihm niemand gefolgt war. Dann hatte er die Stelle erreicht. In seiner Manteltasche schlossen sich seine Finger so fest um das Holz, dass seine Knöchel weiß wurden.
Tu es,
rief er sich innerlich zu,
jetzt!
Sachte zog er das Werkzeug aus der Tasche. Für einen Moment brach sich das Mondlicht in der stählernen Klinge und warf einen blassen Lichtschein auf sein verschwitztes Gesicht. Er wog das Beil in seiner Hand. Es war schwer. Sein Herz schlug schnell, er holte tief Luft, hob den Arm und trieb die Klinge
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