Maria, Mord und Mandelplätzchen
sagen? Weihnachten, das war für mich Geschenke auspacken und Plätzchen backen und der Tag, an dem die ganze Familie zusammenkam. Als Kind war es immer toll gewesen. Aber jetzt schien es so, als würde ich ein schwarzes Weihnachtsfest erleben, wenn nicht gleich ein kleines Wunder geschah.
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Er kam nicht. Es war bereits zwanzig Minuten nach der vereinbarten Zeit. Ich beschloss, nicht länger zu warten, und verabschiedete mich von der älteren Dame, die mir inzwischen ihre ganze Lebensgeschichte erzählt hatte. Ich versuchte noch mal, Telefonkontakt zu dem Dieb aufzunehmen. So leicht würde ich nicht aufgeben! Aber er ging nicht mehr ans Telefon.
Mit der S-Bahn fuhr ich zur Donnersbergerbrücke und ging von dort aus nach Hause. Dort erwartete mich die nächste böse Überraschung: Die Hausmeisterin, die einen Zweitschlüssel für meine Wohnung besaß, war bereits in den Skiurlaub aufgebrochen.
Von einer Telefonzelle aus rief ich den Schlüsseldienst. Frierend wartete ich, bis er nach anderthalb Stunden endlich kam und innerhalb weniger Sekunden das Schloss aufgebrochen hatte. Ich war so erleichtert, wieder zu Hause zu sein, dass mir die horrende Rechnung in diesem Moment völlig egal war. Ich öffnete die Schreibtischschublade, in der ich noch einige Bargeldreserven aufbewahrte, und erstarrte vor Schreck: Das Geld war weg!
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Ich blickte wie betäubt auf die leere Geldkassette. So viel Pech kann ein Mensch an einem einzigen Tag nicht haben, schon gar nicht an Weihnachten! Langsam dämmerte mir, was hier los war. Ich bekam eine Gänsehaut.
»Was ist jetzt mit meiner Bezahlung?« Der hauptberufliche Einbrecher vom Schlüsseldienst wedelte ungeduldig mit der Quittung.
»Ich – es tut mir leid, aber – ich fürchte, hier wurde gerade eingebrochen.«
Der Taschendieb hatte mich absichtlich durch halb München gehetzt, um in Ruhe meine Wohnung leer räumen zu können.
Der Schlüsseldienstmann stöhnte und knallte die Rechnung auf den Tisch. »Hier steht meine Kontonummer, aber wehe, Sie überweisen nicht innerhalb von 24 Stunden!«
Ich nickte müde. »Alles klar. Fröhliche Weihnachten.«
Er grunzte etwas Unverständliches und verließ die Wohnung. Ich sah mich unbehaglich um.
»Minka?«
Die Katze kam zögernd unter der Couch hervor und maunzte kläglich. Ich hob sie hoch und ließ meinen Tränen freien Lauf.
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Nachdem ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte, inspizierte ich die Wohnung gründlich. Außer dem Bargeld fehlte nichts. Im Gegenteil – der gestohlene Wohnungsschlüssel lag sogar mitten auf dem Küchentisch. Dummerweise fasste ich ihn an. Ausgerechnet ich, der größte Krimi-Fan überhaupt, benahm mich wie ein Anfänger und verwischte alle Fingerabdrücke und Spuren! Vielleicht sollte ich langsam mal die Polizei benachrichtigen, bevor ich noch mehr Unsinn anstellte. Ich rief die zuständige Polizeiinspektion 42 an und schilderte kurz den Fall. Der Polizist bat mich, nichts mehr anzufassen und zu Hause zu bleiben. Es könne aber noch Stunden dauern, bis die Kripo und die Spurensicherung bei mir eintreffen würden – heute sei Hochbetrieb.
Ich kochte mir eine heiße Ovomaltine, wickelte mich in eine warme Decke ein und wartete auf die Polizei. Neben mir auf der Fensterbank stand wie zum Hohn meine alte unverwüstliche Yucca-Palme. So hatte ich mir Weihnachten unter Palmen nicht vorgestellt!
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Inzwischen war es dunkel geworden. Die Weihnachtsbeleuchtungen in den Fenstern der Häuser gegenüber blinkten um die Wette. Mir war trotzdem alles andere als weihnachtlich zumute. Aus den Resten im Kühlschrank hatte ich für mich und Minka ein kleines Abendessen zubereitet, nachdem Kripo und Spurensicherung ihre Arbeit erledigt hatten. Ich hatte mehrfach versucht, meinen Freund Florian anzurufen – vergeblich. Er war auf einer kurzen Geschäftsreise in New York und würde erst morgen Nachmittag wieder zurück nach München kommen, kurz vor der Bescherung bei meinen Eltern. Offenbar funktionierte sein Handy in den USA nicht, und ich hatte mir dummerweise den Namen seines Hotels nicht gemerkt. Ich hinterließ mehrere Nachrichten auf seiner Mobilbox. Dann wählte ich noch mal die Nummer meines eigenen Handys, das sich immer noch im Besitz des Räubers befand.
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Keine Antwort. Die Mobilbox schaltete sich ein. Ich holte tief Luft.
»Ich hoffe, Sie hören diese Nachricht ab, bevor der Akku leer ist. Ich möchte Ihnen ein Angebot unterbreiten. Ein sehr gutes Angebot. Sie bekommen von mir
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