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Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stöger
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war Sprengmeister gewesen. Stabsfeldwebel Eichenfrommer, seit fünf Jahren pensioniert, aber noch immer passioniert im Umgang mit zündenden Ideen. Man hatte über die Jahre etwas Material beiseitegeschafft, man hatte ja gewusst, dass man immer mal Bedarf haben würde. Hatte man auch. Bei der Bautätigkeit der Tochter war da so ein Felsen gewesen, man hatte doch nicht auf die Bagger warten können. So oder so – Helene, seine Gattin, hatte das weniger goutiert. Dabei war sie die Ungeduld in persona und dazu ein Sparbrötchen par excellence, denn bitte schön: Seine private Baugrubensprengung hatte das Ganze stark beschleunigt und war preiswert gewesen, aber hatte Helene das verstanden? Nein, Frauen waren so was von unlogisch. Es war hingegen eine logische Konsequenz, dass man Helene immer seltener ins Tun einweihte – heute auch nicht.
     
    Sie waren wie jedes Jahr im Riesengebirge. Von Helenes Seite hatte man eine Hütte – hier hieß das »Baude« – geerbt. Irgendwo im Nirgendwo hinter Vrchlabí, zu deutsch Hohenelbe. Da verbrachten sie stets ihre Weihnachtsferien und liefen. Also liefen lang, die Loipen hier zogen sich kilometerweit über Bergrücken, man konnte den Polen rüberwinken. Falls man das hätte tun wollen, Erich empfand weder zu den Tschechen noch zu den Polen eine große Affinität, wenn man das mal so neutral formulieren wollte. Jedenfalls war es Erichs Aufgabe, einen Weihnachtsbaum zu besorgen, die ersten vier Jahre hatte er stets einen in Spindlermühle gekauft, aber auch hier wurde alles teurer. Er wollte schließlich nicht den ganzen Wald kaufen. Die nächsten Jahre hatte er – natürlich ohne Helenes Wissen – die Bäume entnommen. Standen ja genug herum, und hier oben im Gebirge war das mit den Besitzverhältnissen doch sowieso verwirrend, hatte man sich gesagt.
    Dieses Jahr wollte Helene ein besonders prächtiges Exemplar, war es doch das zehnjährige Jubiläum ihrer Riesengebirgsweihnacht. Zehn Jahre schon ertrug er das tschechische Intermezzo, das ewig gleiche Ritual: Anreise am 21 . Dezember, schon ab Pilsen lamentierte Helene, dass sie Ingredienzien für ihren Stollen vergessen habe. Und immer beruhigte Erich sie, dass auch die Tschechen Geschäfte hätten, namentlich die gleichen wie die gierigen Nachbarn: Penny, Kaufland, Billa … Alle Jahre wieder bekam er, Erich, neue Langlaufunterwäsche im Wechsel mit Langlaufstrümpfen und Helene ihr Parfum
Poison,
das tatsächlich wie vergiftet stank. Und immer galt Helenes Sorge dem Baum. »Erich, der Baum! Denk an den Baum!« Erich war heute am Tage zwei schon die ganze Zeit latent, also unterschwellig eben, aggressiv. Es schneite seit ihrer Ankunft. Es pfiff dieser ostige Wind über die Bergkämme, wann immer er langlief, kam der Wind von vorne. Egal, wohin er langlief! Helenes Schrillstimme zerrte an seinen Nerven wie der Wind, der unvermindert an den Läden zerrte. »Aber einen großen, prächtigen Baum, einen geraden, gell! Keinen solchen Kümmerling wie letztes Jahr. Weil du immer so spät dran bist, Erich!« Dabei hatte er sich gestern nach der Ankunft bereits einen ausgeguckt, er war nämlich vorbereitet, er, Stabsfeldwebel Eichenfrommer; und mit dem Trotz des seit Jahrzehnten missverstandenen Ehemanns war er von dannen gezogen. Hatte die wattierte Jacke in natogrün angelegt, die BW -Winterstiefel, die gute BW -Unterwäsche und war nach draußen gegangen.
     
    Im Anbau der Baude fehlte etwas ganz Entscheidendes: seine große Säge. Da war nur noch so ein Zwergenmodell. Na, die große hatte wohl so ein Tschechenlümmel geklaut.
    Man hatte doch gar nicht anders handeln können. Erich stapfte los – bis zum Ort seines Begehrs. Der Baum war inzwischen völlig verschneit, hätte er da mit der Säge gearbeitet, wäre er ja sowieso zum Schneemann mutiert. Da lag man schon richtig: Präzise wie immer hatte man die Ladung unter dem Wurzelwerk plaziert, auf die Sekunde gezündet. Rums! Also da konnte man jetzt sagen, was man wollte: Der Anblick war erhebend. Der Baum schoss samt dem Wurzelstock in die Höhe, sicher einen Meter hoch, und fiel dann zur Seite. Herrlich! Erich wartete etwa dreißig Sekunden, dann trat er näher. Man – nein er – war ein Gott. Er war der Beste. Immer gewesen. In seiner Einheit. In seiner Kaserne. Ach was, im ganzen Bundesland, für die gesamte Republik wollte er nicht sprechen.
    Aus einer Dreiergruppe hatte er seinen Favoriten herausgesprengt, der nun zu Boden gesunken war und sich

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