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Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stöger
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aufgeräumte Jacke hinweisen. »Du lässt immer alles rumliegen, Erich. Also wirklich – schlimmer als ein Kleinkind, Erich!«
    Das hier war der Super-GAU. Sein ganzes Arrangement war zerstört. Erich atmete tief durch, und irgendwie gelang es ihm, Helene davon zu überzeugen, dass doch besser
er
zu den Pumpers ginge. Weil sein Helene-Hasi doch noch so viel mit dem Schmücken des Baumes zu tun habe. Das zog noch nicht so recht. Helene beäugte ihn skeptisch. Erst als er darauf hinwies, dass so ein leeres Haus … Man wisse ja nie. Wenn da Mäuse oder gar Ratten verendet waren … Es ging gerade irgendwie immer um verendete Kreaturen … Das wirkte, Helene fürchtete Nagetiere wie ein Vampir den Knoblauch. Wie ein Nichtschwimmer die Flutwelle. Sie hatte ja sogar Angst vor dem Hamster der Enkelin.
     
    Erich eilte davon, wieder auf seinen Langlaufskiern. Der Mann war noch da. Erich bedauerte wirklich, dass sein Gesamtkunstwerk so gar nicht gewürdigt werden würde. Er griff den Schlüssel, der unter einer geschnitzten Rübezahlfigur lag. Sehr originell! Er stieg über den toten Yukon-Trapper, betrat das Haus, stieß die Läden auf, lüftete, wie ihm geheißen war. Die Handschellen an dem alten Gitterbett besah er lediglich kurz mit gerunzelter Stirn. Ob so was zu einem Pazifisten passte? Aber gut, auch so vegetarische Menschen frönten eben doch dem Fleischlichen, auf die eine oder andere Weise. Er, Erich Eichenfrommer, hatte wahrlich andere Probleme. Draußen griff er seine Jacke, die da wirklich sehr auffällig hing, trotz der Tarnfarbe. Auf Schnee war einfach alles auffällig. Wohin mit dem Idioten? Allmählich ging ihm der Typ wirklich auf die Nerven. Was hatte der auch unter seinem Baum verloren gehabt. Oder genaugenommen am Nebenbaum. Es eilte alles ein wenig. Er musste nachhaltiger arbeiten. Erich hatte Kopfschmerzen, eine Ader an seiner Schläfe begann zu zucken. Ein schlechtes Zeichen.
    Mit dem Bündel auf der Schulter glitt Erich hinein in ein kleines Wäldchen, in dem er einen verschwiegenen Fischtümpel wusste. Mit seinem Langlaufstock versuchte er die Eisdecke aufzuhacken. Ein Knall, ein böser Schmerz durchzuckte Erichs Schulter, der Stock war zerborsten und zurückgeschnalzt. Erich war am Limit. Er fingerte in seinen Taschen umher. Dann setzte er eine neue Sprengladung. Rums, Eisbrocken flogen, eine Wasserfontäne schoss himmelwärts, dazu Schlamm. Erich blickte sich um. Als sich wieder Stille über den an sich so lauschigen Hain gelegt hatte, plazierte er den Mann im Loch. Ein putziges Bild gab der ab: saß da im Tümpel, das Mützchen und der halbe Kopf spitzten neckisch aus dem Eisloch heraus. Erich war sich nie dessen bewusst gewesen, wie flach der Tümpel eigentlich war. Es reichte, es reichte wirklich!
     
    Erich schulterte den nassen Sack und lief. Er lief lang, und das war stilistisch mit nur einseitigem Stockeinsatz und der schmerzenden Schulter eine Meisterleistung der Koordination und Körperbeherrschung. Erich lief bis zu den Bahngleisen. Legte den Mann ab. Es war keine Zeit mehr für Arrangements oder Gesamtkunstwerke. Der Zug würde alle Spuren beseitigen.
    Helene konnte er sein langes Ausbleiben mit einer spontanen Langlauftour erklären. Sie glaubte ihm und verwies ihn unter die Dusche. »Du stinkst wie ein Iltis.« Es wurde ein beschaulicher Heiligabend. Wie die letzten zehn Jahre auch. Sie aßen Pasteten, Helene trank viel zu viel Wein, begann zu kichern. Er wusste, was zu tun war, same procedure as every Christmas. Aber bitte, er war ein Mann, ein Offizier und Gentleman, und über Helenes Figur konnte man nichts sagen. Sie hatte sich dank Langlaufen, Yoga und Verrenkungen vor dem Fernseh-Fitnesskanal gut gehalten für ihre sechsundfünfzig. Das Bild der Pumpernickel’schen Handschellen huschte noch vorbei, Erich gab alles, und Helene schlief sofort ein. Wie jedes Weihnachten. Erich öffnete sich das eine oder auch andere tschechische Bier der Marke Staropramen.
     
    An den beiden Weihnachtsfeiertagen vermied es Erich tunlichst, über den Mann nachzusinnen. Sie waren wie jedes Jahr am 25 . und 26 . in Spindlermühle im Hotel Hubertus beim Essen gewesen; Erich hatte die Ohren offen gehalten, von einer zerfetzten Leiche war nirgendwo die Rede. Davon hätte man hier auf dem Land sofort erfahren.
    Am 28 . Dezember kam Post. Von der Tochter und der Enkelin. Eine Zeitung hatten sie mitgeschickt mit der Notiz: Das ist doch ganz in der Nähe, oder? Helene hatte sich das Blatt gegriffen.

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