Maria, Mord und Mandelplätzchen
nicht so sorgfältig war, unaufmerksam waren die. Sie strebten einfach in den Feierabend, das lag doch auf der Hand. Erich war zufrieden, stapfte heim und schlief ruhig und traumlos.
Am nächsten Morgen liefen er und Helene lang, unter anderem unten an der Talstation des Lifts vorbei. Ein Schild hing da: irgendwas mit Pozor, Pozor hieß Achtung, das wusste Erich. Der multilinguale Tschechenlümmel hatte aber auch auf Polnisch informiert – zumindest nahm Erich an, dass das Polnisch sein müsse – und auf Englisch.
»Attention: Tis Lift ist out of order till affter the Christmas!«
Erichs Englisch war schlecht, das der Tschechenlümmel wohl auch. Verdammich, das lief hier aber sehr unrund!
Als Helene wieder früh darniedersank – das lange Laufen, der ganze Sauerstoff hatte alles Leben aus ihr gesogen – und wegschnarchte, zog Erich erneut los. Er hatte seine Skier angelegt, das war unauffälliger als Fußspuren. Langlaufspuren durchzogen doch hier das ganze Gebirge.
Pozor!,
der Mann musste weg aus dem Lift, das Arrangement, das er getroffen hatte, war ja nur dann sinnvoll, wenn der Lift gelaufen wäre. Der Mann war nun in sich zusammengesackt, entweder die Leichenstarre hatte sich gelöst oder aber er war aufgetaut. Es hatte nämlich aufgehört zu schneien, und die Temperaturen lagen im leichten Plusbereich. Nun gut, oder nicht gut. Man war nun mal auf der Brücke. Man war doch ein alter Kriegshase. Man hatte doch immer einen Plan B in der Tasche.
Er schulterte den Mann und glitt dahin. Rechts den Mann, links die Stöcke – bis zu einer Waldbaude, die von Sachsen bewohnt wurde. Diese kamen stets am 24 . vormittags und blieben bis zum 6 . Januar. Morgen also würden sie kommen, sie waren quasi Bauden-Nachbarn, rund 800 Meter von Eichenfrommers Baude entfernt. Erich verabscheute das Ehepaar Pumper – nicht nur wegen des ohrenbeleidigenden Dialekts. Nein, Herr Pumpernickel – Helene schimpfte immer mit ihm, wenn er die beiden Pumpernickel nannte – war Pazifist, und sie war Vegetarierin. Solche sächsischen Weicheier aber auch! Zudem hatten die beiden eine Hundetöle, die immer entlief, zu Erichs Baude sauste, das Beinchen hob und mit unschönem Gelb den Schnee verunzierte. Außerdem hatte das Vieh ihn schon mal in die Wade gebissen. Nur dem guten BW -Stiefel war es zuzuschreiben, dass er die Attacke des Monsters überlebt hatte. Ein Monster, das natürlich nur hatte spielen wollen und das vorher noch nie gebissen hatte. Schon seine adligen Vorfahren mit den albernen Stammbäumen hatten noch nie gebissen. Für diese Dynastie verbürgte sich die Dame Pumpernickel.
Diese Pumpernickel-Sachsen-Köterliebhaber hatten das verdient, was er nun inszenierte: Er plazierte den Mann vor der Hintertür und, zwar so, als wäre dieser mit letzter Kraft herangerobbt. Besonders stolz war Erich auf die Idee, den Mann dann noch mal an der Tür kratzen zu lassen. Nun hatte er sogar ein paar Holzspreißel unter den Nägeln. Erich hatte die schlaffen Patschehändchen des Toten ganz schön gegen die Tür pressen müssen.
Am nächsten Morgen wurde Erich zum Brotholen geschickt. Als er retour kam, war Helene in wilder Aufregung. »Stell dir vor, die armen Pumpers! Frau Pumper hat mich gerade auf dem Handy erwischt. Er hatte einen Autounfall, hat das Bein gebrochen und zwei Rippen. Sie kommen dieses Jahr nicht. Gott, die Armen.« Helene atmete schwer. »Ich schau nachher mal rüber, sie hat mir gesagt, wo der Schlüssel liegt. Ich soll mal nach dem Rechten sehen. Mal lüften, die Fensterläden mal öffnen.«
Im Normalfall hätte Erich jetzt dem lieben Herrgott gedankt und eine Kerze angezündet, dass er von Pumpernickels und deren gemeingefährlicher Töle verschont blieb, aber das lief ja immer unrunder. Eine grauenvolle Ahnung wurde ihm zur Gewissheit. Er hatte gestern Nacht seine Jacke vergessen. Hatte sie über den Zaun gehängt. Er hatte geschwitzt wie eine Sau, so leicht war der Mann dann doch nicht gewesen. Seine Jacke hing unweit eines Toten, der vor Pumpernickels Tür lag. Und Helene mittendrin. Helene, die den Toten entdecken würde, der wie ein Goldgräber am Yukon kurz vor der rettenden Hütte verendet war. Wie schön hatte er sich das ausgedacht! Er kannte Helene. Die würde den Toten sehen, kreischen, aber dann würde sie seine Jacke entdecken. Helene legte die Finger immer in die Wunde, sie hatte Sensoren für Verfehlungen seinerseits. Helene würde wahrscheinlich als erstes auf seine schlecht
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